Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Veritas’ Bockswappen.
    Die neuen Schiffe rochen nach Holzspänen und geteertem Tauwerk. Die Decks waren noch jungfräulich glatt, die Ruder über die gesamte Länge blitzsauber. Bald würde die Rurisk ihren eigenen Charakter entwickeln: hier ein paar Schnitzereien mit einem Maripfriem, um ein Ruder griffiger zu machen, dort ein gespleißtes Tau, all die kleinen Narben und Notbehelfe intensiven Gebrauchs. Doch vorläufig war die Rurisk so grün wie wir. Wenn wir mit dem Schiff hinausfuhren, fühlte ich mich an einen unerfahrenen Reiter auf einem gerade erst eingebrochenen Pferd erinnert. Sie scheute und bockte und buckelte zwischen den Wellen und dann, als wir allmählich zur Zusammenarbeit fanden, richtete sie sich und schnitt durch das Wasser wie ein geöltes Messer.
    Es war Veritas’ Wunsch, daß ich mich gründlich in dieser neuen Welt einlebte. Ich erhielt eine Schlafstatt im Lagerhaus, zusammen mit dem Rest der Besatzung. Ich lernte, unauffällig zu sein, doch stets auf dem Sprung, um einen Befehl auszuführen. Der Kapitän stammte aus den Sechs Provinzen, aber der Maat war ein Outislander; von ihm lernten wir, mit dem Schiff umzugehen und das Beste aus ihm herauszuholen. Es gehörten noch zwei Outislander zur Mannschaft, und wenn wir nicht gedrillt wurden, klar Schiff machten oder schliefen, steckten sie die Köpfe zusammen und unterhielten sich leise. Ich wunderte mich, daß sie nicht merkten, wie sie damit das Mißtrauen der anderen schürten. Meine Pritsche war nicht weit von ihnen entfernt, und oft, wenn ich mich hingelegt hatte, um zu schlafen, spürte ich Veritas’ Drängen, auf halblaut gesprochene, mir unverständliche Worte zu lauschen. Ich tat es und wußte, daß er mehr mit dem Erlauschten anfangen konnte als ich. Nach einiger Zeit merkte ich, daß es Ähnlichkeiten mit unserer Sprache gab; bei genauem Hinhören verstand ich einiges von dem, was gesagt wurde. Mit keinem Wort war bei ihren Gesprächen von Verrat oder Meuterei die Rede. Sie trauerten um die von eigenen Landsleuten entfremdeten Angehörigen und schworen blutige Rache. Es bestand kein großer Unterschied zwischen ihnen und ihren Kameraden aus den Sechs Provinzen. Fast jeder an Bord hatte jemanden durch Entfremden verloren. Schuldbewußt fragte ich mich, wieviele dieser verlorenen Seelen ich in das Vergessen des Todes geschickt hatte. Der Gedanke schuf eine unsichtbare Mauer zwischen mir und meinen zukünftigen Kampfgefährten.
    Trotz der wütenden Winterstürme fuhren wir fast jeden Tag hinaus. Wir trugen Scheingefechte aus, übten das Werfen von Enterhaken oder die Technik des Rammens und lernten auch, einen Sprung so einzuschätzen, daß man wirklich an Bord des anderen Schiffes landete und nicht im Wasser dazwischen. Unser Kapitän gab sich die größte Mühe zu erklären, welche Vorteile wir ausspielen konnten. Der Feind hatte eine lange Reise hinter sich, Wochen unter kärglichen Bedingungen an Bord der Schiffe, zusammengepfercht und den Unbilden der Witterung preisgegeben. Wir hingegen hatten den Heimathafen im Rücken, begannen jeden Tag ausgeruht und wurden gut verpflegt. Die räumlichen Beschränkungen und die begrenzte Menge Proviant, die mitgeführt werden konnte, bedingten, daß bei unserem Gegner jeder Ruderer zugleich Kämpfer war, während wir es uns erlauben konnten, zusätzliche Bewaffnete an Bord zu haben, die mit Pfeil und Bogen die Schlacht eröffneten oder feindliche Schiffe enterten, ohne daß ein Mann von den Rudern abgezogen werden mußte. Mehrfach sah ich den Maat bei diesen Worten den Kopf schütteln. Im Vertrauen teilt er seinen Freunden mit, daß es die Entbehrungen einer Ausfahrt waren, die eine Mannschaft hart und kampfbegierig machten. Wie konnten verweichlichte, wohlgenährte Bauern hoffen, gegen von Wind und Wetter und den Gefahren des Meeres gestählte Korsaren zu bestehen?
    Alle zehn Tage hatte ich einen Tag für mich, und diese freie Zeit verbrachte ich in der Burg. Eine Erholung war es nicht. Ich meldete mich bei König Listenreich, berichtete ihm von meinen Erfahrungen an Bord der Rurisk und freute mich an dem Interesse, das bei solchen Gelegenheiten in seinen Augen erwachte. Es schien ihm besser zu gehen, doch er war bei weitem noch nicht der willensstarke König, an den ich mich aus meiner Kindheit und Jugend erinnerte. Philia und Lacey hatten ebenfalls Anspruch auf einen Besuch, nicht zu vergessen Kettricken. Ein oder zwei Stunden für Nachtauge, ein verstohlener Besuch in Mollys Kammer und

Weitere Kostenlose Bücher