Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
dann ein Abschied mit tausend Entschuldigungen, um wieder in meinem Zimmer zu sein, wenn Chade mich rief. Am nächsten Morgen in aller Frühe kurz bei Veritas vorsprechen, der mit einer Berührung unseren Gabenbund erneuerte. Nicht selten war es eine Erleichterung, ins Mannschaftsquartier zurückzukehren, um den versäumten Schlaf nachzuholen.
Endlich, als der Winter langsam zu Ende ging, bot sich mir die ersehnte Gelegenheit, allein mit König Listenreich zu sprechen. Es war einer meiner freien Tage, und ich hatte ihn aufgesucht, um ihn über die Fortschritte unserer Ausbildung in Kenntnis zu setzen. Listenreich fühlte sich kräftiger als sonst und saß in seinem Lehnstuhl vor dem Kamin. Wallace verschönte diesen Tag durch seine Abwesenheit. Statt seiner machte sich eine junge Magd im Zimmer zu schaffen, und auch wenn sie noch so emsig Staub wischte und Kissen aufschüttelte, hätte ich wetten mögen, daß sie Edels Spitzel war. Der Narr war zugegen, wie stets, und machte sich ein Vergnügen daraus, sie zu necken. Ich war mit dem Narren aufgewachsen und betrachtete seine weiße Haut und die hellen Augen einfach als zu ihm gehörig. Die Kleine empfand es offenbar anders. Sie beäugte den Narren, wann immer sie glaubte, er merke es nicht. Doch sobald er es merkte, begann er frech ihre Blicke zu erwidern, mit einer unverhohlenen Lüsternheit, die er von Mal zu Mal zu steigern wußte. Sie wurde immer fahriger, und als sie schließlich mit ihrem Eimer an uns vorbei mußte, und der Narr Rätzel auf seinem Zepter unter ihre Röcke spähen ließ, sprang sie kreischend zurück und überschüttete sich und den eben gewischten Fußboden mit schmutzigem Wasser. Listenreich wies den Narren zurecht, der nach allen Regeln der Kunst untertänige Reue heuchelte, und schickte dann die Magd hinaus, um sich trockene Kleider anzuziehen. Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopf, kaum daß ich abwartete, bis sie das Zimmer verlassen hatte.
»Majestät, ich habe eine Bitte, die ich Euch vortragen möchte.«
Der Tonfall meiner Stimme schien sowohl den Narren als auch den König stutzig zu machen, denn sie schenkten mir beide ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich versuchte dem Narren mit einem Blick unter gerunzelten Brauen verständlich zu machen, daß es mir lieb wäre, er würde sich entfernen, aber dem zum Trotz beugte er sich interessiert vor und zwinkerte mir, den Kopf an des Königs Knie gelehnt, spöttisch zu. Ich schluckte meinen Ärger hinunter und sah den König an.
»Du magst sprechen, FitzChivalric«, sagte er förmlich.
Ich schluckte. »Majestät, ich bitte um die Erlaubnis zu heiraten.«
Der Narr riß die Augen auf, aber Listenreich lächelte so gütig, als wäre ich ein Kind, das um ein Naschwerk gebettelt hätte. »So so. Endlich ist es heraus. Aber sicherlich möchtest du der Dame erst den Hof machen?«
Mein Herz schlug wie eine Trommel. Die wissende Miene des Königs verwirrte mich, aber er schien auch erfreut zu sein, sehr erfreut. Ich wagte zu hoffen. »Mit Verlaub, Majestät, ich habe bereits begonnen, ihr den Hof zu machen. Keinesfalls war es meine Absicht, Eurer Entscheidung vorzugreifen. Es hat sich – so ergeben.«
Er lachte gutmütig. »Ja, so geht es manchmal. Allerdings, weil du dich nicht früher geäußert hast, fragte ich mich schon, welches deine Absichten wären und ob das Fräulein sich womöglich etwas vorgemacht hätte.«
Mein Mund wurde trocken. Ich konnte nicht atmen. Wieviel wußte er? Der König schmunzelte über meine Verstörtheit.
»Ich habe keine Einwände. Genaugenommen bin ich erfreut über deine Wahl…«
Das Lächeln, das sich über mein Gesicht ausbreitete, wurde mir auf dem Gesicht des Narren widergespiegelt. Ich fühlte mich, als wäre mir ein Stein vom Herzen gefallen, bis Listenreich weitersprach:
»… doch ihr Vater sperrt sich. Er hat mich wissen lassen, er möchte die Angelegenheit hinausschieben, wenigstens bis ihre älteren Schwestern vermählt sind.«
»Wie bitte?« Ich brachte die Worte kaum heraus; in meinem Kopf drehte sich alles. Listenreichs leutselige Miene verschwamm vor meinen Augen.
»Deine Auserwählte macht ihrem Namen, wie es scheint, alle Ehre. Am selben Tag, an dem du nach Bocksburg aufgebrochen warst, hat Zelerita ihren Vater gebeten, um dich freien zu dürfen. Ich glaube, du hast durch dein mutiges Verhalten Virago gegenüber ihr Herz gewonnen. Doch Brawndy hat es ihr verboten, aus dem Grund, den ich dir eben genannt habe. Wenn ich recht verstehe, hat
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