Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
die junge Dame mit allen Mitteln versucht, ihren Kopf durchzusetzen, aber Brawndy ist ein energischer Mann. Allerdings hat er Uns Nachricht zukommen lassen, damit Wir keinen Anstoß nehmen. Er wollte Uns wissen lassen, daß er nicht gegen die Verbindung an sich ist, nur will er nicht, daß sie vor ihren Schwestern in den Ehestand tritt. Ich gebe ihm recht. Sie zählt, glaube ich, erst vierzehn Jahre?«
Ich konnte nicht sprechen.
»Schau nicht so niedergeschmettert drein, Junge. Ihr seid beide jung und habt viel Zeit. Auch wenn er keine offizielle Werbung erlaubt, wird er nicht verbieten wollen, daß ihr euch hin und wieder seht.« Diese Duldsamkeit in der Stimme des Königs, diese warmherzige Nachsicht. Der Blick des Narren huschte zwischen uns hin und her. Ihm war nicht anzusehen, was er dachte.
Ich zitterte, wie es mir seit Monaten nicht mehr passiert war. Etwas tun, dieses Mißverständnis aufklären, keinesfalls zulassen, daß alles noch schlimmer wurde, als es schon war. Ich zwang mich zur Ruhe, fand die Sprache wieder. »Majestät, das ist nicht die Frau, die ich meinte.«
Eisiges Schweigen. Des Königs Züge verdüsterten sich. Wäre ich nicht so verzweifelt gewesen, hätte ich nicht gewagt, den Blick zu ihm aufzuheben, so aber schaute ich ihn flehend an und betete, er möge Verständnis haben. Als er sich nicht äußerte, sprach ich weiter:
»Majestät, die Frau, die ich meine, ist zur Zeit eine Dienstmagd, doch eigentlich…«
»Schweig.«
Nur ein Schlag ins Gesicht hätte schärfer sein können. Ich verstummte.
Listenreich musterte mich sorgsam von oben bis unten. Die nächsten Worte sprach er mit allem Nachdruck des Monarchen. Ich glaubte sogar den zwingenden Unterton der Gabe in seiner Stimme wahrzunehmen. »Hör genau zu, was ich dir sage, FitzChivalric. Brawndy ist mein Freund und auch einer meiner Herzöge. Weder er noch seine Tochter sollen von dir eine Beleidigung oder Zurückweisung erfahren. Vorläufig wirst du niemandem den Hof machen. Niemandem. Ich rate dir, gut zu überlegen, was es für dich bedeutet, daß Brawndy dich als Gemahl für seine Tochter ins Auge faßt. Er stößt sich nicht an deiner Geburt. Kaum ein anderer wäre so großmütig. Zelerita hat Land und einen Titel als Mitgift zu erwarten, und auch du wirst von mir ein Lehen bekommen, wenn du guten Willen zeigst. Nimm dir Zeit nachzudenken, und du wirst feststellen, daß es eine kluge Wahl ist. Ich werde dich wissen lassen, wann du beginnen kannst, um sie zu werben.«
Ich bot all meinen Mut auf. »Majestät, bitte, ich…«
»Genug, Chivalric! Du hast gehört, was ich zu dieser Angelegenheit zu sagen habe. Kein Wort mehr darüber!«
Wenig später entließ er mich, und ich war froh, seinen Gemächern den Rücken kehren zu können. Ich zitterte immer noch an allen Gliedern, nur wußte ich nicht, ob vor Wut oder Herzeleid. Er hatte mich bei meines Vaters Namen genannt! Vielleicht, sagte ich mir gehässig, weil er im Grunde seines Herzens wußte, daß ich genauso handeln würde wie mein Vater. Ich würde aus Liebe heiraten. Auch, dachte ich grimmig, wenn ich warten mußte, bis König Listenreich im Grab lag, damit Veritas sein mir gegebenes Wort halten konnte.
Ich kehrte in mein Zimmer zurück. Weinen zu können wäre eine Erleichterung gewesen, aber ich fand keine Tränen. Die Arme unter dem Kopf verschränkt, lag ich auf dem Bett und starrte die Vorhänge an. Wie sollte ich Molly erzählen, was sich gerade zwischen dem König und mir abgespielt hatte? Ihr nichts zu sagen wäre unehrlich gewesen, deshalb nahm ich mir ernsthaft vor, mit ihr zu sprechen. Aber nicht jetzt gleich, ich mußte einen günstigen Augenblick abwarten. Bis es soweit war, wollte ich nicht mehr daran denken. Und, beschloß ich kalt, ich würde nicht mehr zu König Listenreich gehen, bis er mich rufen ließ.
Als der Frühling sich ankündigte, nahm Veritas die Anordnung seiner Schiffe und Helfer vor, wohlüberlegt, als ginge es um die Aufstellung von Figuren zu Beginn eines Spiels. Die Wachtürme entlang unserer Küste waren nun ständig besetzt, die Signalfeuer bereit. Sie dienten dazu, die Bewohner der Ortschaften in der Nähe vor Überfällen zu warnen. Er nahm die übriggebliebenen Mitglieder der Kordiale, die Galen aufgebaut hatte, und verteilte sie auf die Türme und Schiffe. Serene, meine Erzfeindin und Haupt von Galens Kordiale, blieb in Bocksburg. Insgeheim wunderte ich mich, weshalb Veritas sie hier als Junktor einsetzte, statt sich direkt von
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