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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Überkleid war äußerst einfach geschnitten, die kurzen, weiten Ärmel ließen die längeren des weißen Untergewandes sehen. Sie hatte den Schmuck angelegt, der ihre Morgengabe gewesen war, und das aufgesteckte blonde Haar umspann ein silbernes Netz, besetzt mit Amethysten. Ihre Gesichter waren ernst. Sie konnten nur die Absicht haben, Audienz bei König Listenreich zu erbitten.
    Ich begrüßte das Thronfolgerpaar mit geziemender Ehrerbietung und ließ Veritas wissen, daß König Listenreich mich zu sich befohlen hatte.
    »Nein«, antwortete er milde. »Du bist auf meine Veranlassung hier. Ich möchte, daß du mit Kettricken und mir vor den König hintrittst. Als Zeuge.«
    Erleichterung durchströmte mich. Dann ging es nicht um Zelerita. »Zeuge für was, Hoheit?«
    Er schaute mich an, als wunderte er sich über meine Begriffsstutzigkeit. »Ich bitte den König um Erlaubnis, zu einer Queste aufbrechen zu dürfen. Um die Uralten zu suchen und mit der Hilfe zurückzukehren, deren wir so dringend bedürfen.«
    »Oh.« Ich hätte den Pagen bemerken sollen, ganz in Schwarz gekleidet und mit Schriftrollen und -tafeln beladen. Das Gesicht des Knaben war blaß und starr, höchstwahrscheinlich hatte er nie etwas Aufregenderes für Veritas tun müssen, als seine Stiefel zu polieren. Rosemarie, frisch gewaschen und in Kettrickens Farben, erinnerte mich an ein frühlingsblankes Radieschen. Ich lächelte dem pausbäckigen Mädchen zu, doch es antwortete mir mit einem ernsten Blick.
    Veritas hatten unterdessen angeklopft. »Einen Moment«, ertönte eine Stimme. Wallace. Er öffnete vorsichtig, lugte durch den Spalt und erkannte, daß es der Kronprinz war, den er warten ließ. Erst nach einem Augenblick verräterischen Zögerns riß er die Tür weit auf.
    »Hoheit«, stammelte er, »ich habe Euch nicht erwartet. Will sagen, ich bin nicht informiert worden, daß Seine Majestät…«
    »Deine Anwesenheit ist nicht erwünscht, du darfst dich entfernen.« Gewöhnlich pflegte Veritas nicht einmal einen Pagen derart brüsk abzufertigen.
    »Aber… Seine Majestät braucht mich vielleicht…« Der Blick des Mannes huschte durchs Zimmer. Er fürchtete etwas.
    Veritas’ Augen wurden schmal. »Falls er deiner bedarf, werde ich veranlassen, daß man dich holt. Du hast meine Erlaubnis, vor der Tür zu warten. Halte dich bereit, wenn ich rufe.«
    Nach einem Moment der Unschlüssigkeit trat Wallace auf den Gang hinaus und bezog dort Posten, während wir eintraten. Veritas schloß eigenhändig die Tür. »Der Mann gefällt mir nicht«, bemerkte er laut genug, um draußen gehört zu werden. »Kriecherisch und servil – ein widerwärtiger Charakter.«
    Der König befand sich nicht in seinem Tageszimmer, doch plötzlich erschien der Narr in der Tür des Schlafgemachs. Er riß die Augen auf, grinste von einem Ohr zum anderen und verbeugte sich mit Grandezza bis zum Boden. »Majestät! Erwacht! Wie ich vorhergesagt habe – die Musikanten sind gekommen.«
    »Narr«, grollte Veritas mahnend, aber es war ein gutmütiger Tadel. Er schritt an ihm vorbei und wehrte die theatralischen Versuche ab, den Saum seines Gewandes zu küssen. Kettricken verbarg ihr Lächeln hinter der vorgehaltenen Hand und folgte ihrem Gemahl. Als ich mich ihnen anschloß, wäre es dem Narren um ein Haar gelungen, mich mit dem vorgestreckten Fuß zu Fall zu bringen. Ich konnte es verhindern, aber dafür erfolgte mein Eintritt ziemlich würdelos, und ich wäre beinahe mit Kettricken zusammengestoßen. Der Narr grinste und zwinkerte, dann hüpfte er zum Bett, griff nach des alten Mannes Hand und streichelte sie mit aufrichtiger Zärtlichkeit. »Majestät? Majestät? Ihr habt Besucher.«
    Listenreich regte sich und tat einen tiefen Atemzug. »Wie? Was denn? Veritas? Zieh die Vorhänge auf, Narr, wie soll ich erkennen, wer gekommen ist. Tochter? Fitz? Was hat das alles zu bedeuten?« Seine Stimme war schwach und hatte einen nörgelnden Unterton, doch entgegen meinen Befürchtungen schien er verhältnismäßig wohlauf zu sein. Als der Narr die Bettvorhänge aufzog und ihm Kissen in den Rücken schob, fand ich mich einem Mann gegenüber, der älter aussah als Chade. In ihren späten Jahren trat die Ähnlichkeit zwischen den Halbbrüdern immer deutlicher hervor, im abgemagerten Gesicht des Königs erkannte man die Braue und Wagenknochen des Bastards. Die Augen unter diesen Brauenbögen waren scharf, aber müde. »Nun, worum geht es?« verlangte er zu wissen, und sein Blick wanderte von

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