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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erwartet, daß ich ihm genauestens wiedergeben konnte, was während seiner Abwesenheit in den Stallungen vorging. Über unserer Vesper berichtete ich Veritas alles, was ich seit dem Weggang von Bocksburg gesehen und getan hatte. Anschließend legte ich ihm meine Schlußfolgerungen dar und zu welchen Vermutungen die Ereignisse meines Erachtens Anlaß gaben. Mittlerweile hatte Charim uns eine zweite Mahlzeit gebracht. Während des Essens drehte sich die Unterhaltung um die im Bau befindliche Flotte. Veritas konnte seinen Enthusiasmus für das Projekt nicht verbergen. »Mastfisch {1} hat sich bereit gefunden, die Arbeit zu überwachen, allerdings mußte ich selbst nach Highdowns reiten, um ihn zu holen. Er meinte, er wäre zu alt. ›Die Kälte zieht mir in die Knochen, ich kann im Winter keine Boote mehr bauen‹, so lautete sein erster Bescheid. Kurzerhand schickte ich die Lehrlinge ans Werk und machte mich persönlich auf den Weg zu ihm. Von Angesicht zu Angesicht konnte er mir die Bitte nicht abschlagen. Ich führte ihn zur Werft und zeigte ihm den geheizten Schuppen, groß genug, um ein Kriegsschiff zu bauen, ohne frieren zu müssen. Aber nicht das hat ihn überzeugt. Den Ausschlag gab die weiße Eiche aus dem Bergreich. Ein Blick auf das Holz, und er konnte nicht abwarten, das Zugmesser anzusetzen. Die Maserung ist über die gesamte Länge gleichmäßig und makellos. Es werden wunderschöne Schiffe sein, mit einem Schwanenhalsbug und wendig wie Seeschlangen.«
    Seine Begeisterung wirkte ansteckend. Ich sah förmlich das Heben und Senken der Ruder vor mir, die geblähten Segel, wenn die stolze Flotte vor dem Wind übers Wasser glitt. Dann wurden die Teller und Schüsseln abgeräumt, und er begann mich über die Vorfälle in Jhaampe auszufragen. Jede Einzelheit mußte ich ihm unter jedem denkbaren Aspekt schildern. Die wachgerufene Erinnerung riß meine kaum vernarbten Wunden wieder auf.
    Veritas merkte, wie aufgewühlt ich war. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, um ein frisches Scheit zu nehmen und ins Feuer zu werfen. Eine Funkengarbe sprühte den Schornstein hinauf. »Du hast Fragen«, meinte er. »Sprich.« Er faltete abwartend die Hände im Schoß.
    Ich bemühte mich, meine Erregung zu beherrschen. »Prinz Edel, Euer Bruder«, begann ich vorsichtig, »ist des gemeinsten Hochverrats schuldig. Er hat den älteren Bruder Eurer Gemahlin, Prinz Rurisk, ermorden lassen. Er hat eine Verschwörung angezettelt, die Euch das Leben gekostet hätte. Sein Ziel war, sowohl Euren Thron als auch Eure Gemahlin zu besitzen. Als kleines Vergnügen nebenher versuchte er zweimal, mich zu töten. Und Burrich.« Ich hielt inne, um Atem zu schöpfen und mich zur Ruhe zu zwingen.
    »Du und ich, wir beide kennen die Wahrheit. Sie zu beweisen wäre schwierig«, gab Veritas gelassen zu bedenken.
    »Und darauf baut er!« stieß ich hervor und wandte den Kopf zur Seite, bis ich mich gefaßt hatte. Die Gewalt meines Hasses war erschreckend, denn bisher hatte ich mir nicht erlaubt, mich ihm hinzugeben. Vor Monaten, als ich meine gesamten Verstandeskräfte darauf verwendete, am Leben zu bleiben, hatte ich meine Gefühle beiseite geschoben, um den Kopf frei zu haben. Es folgten die quälenden Wochen der Genesung von Edels mißlungenem Giftanschlag. Nicht einmal Burrich wußte alles, denn Veritas hatte keinen Zweifel daran gelassen, daß nicht mehr über die Angelegenheit nach außen dringen durfte, als sich irgend vermeiden ließ. Nun saß ich hier vor meinem zukünftigen Souverän, von übermächtigem Zorn geschüttelt, und spürte, wie mein Gesicht anfing zu zucken. Die Scham darüber half mir, den Aufruhr, der in mir tobte, niederzuringen.
    »Edel verläßt sich darauf«, wiederholte ich in gemäßigterem Ton. Die ganze Zeit über hatte Veritas ruhig zugehört und auch bei meinem Ausbruch keine Miene verzogen. Er saß ernst am Kopf des Tisches, die von Arbeit gezeichneten Hände vor sich gefaltet und musterte mich aus seinen dunklen Augen. Ich senkte den Blick auf die Tischplatte und zeichnete mit dem Finger die Schnitzereien nach. »Er respektiert Euch nicht dafür, daß Ihr Euch an die Gesetze haltet. In seinen Augen ist es eine Schwäche, ein Weg, der Gerechtigkeit ein Schnippchen zu schlagen. Vielleicht versucht er wieder, Euch zu ermorden. Und mit ziemlicher Gewißheit hat er vor, mich aus dem Weg zu räumen.«
    »Dann müssen wir besonders vorsichtig sein, nicht wahr?« äußerte Veritas unbeeindruckt.
    Ich schaute ihm

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