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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Für einen arglosen Beobachter mußte es aussehen, als ob ich fröre, denn ich hatte die Arme um den Leib geschlungen und die Schultern nach vorn gebeugt, um das Zittern zu unterdrücken, das in Wellen meinen Körper durchflutete. Die Treppe stieg ich Stufe um Stufe hinauf, wie in Gedanken versunken. Auf dem Absatz blieb ich stehen und zählte langsam bis zehn, bevor ich weiterging.
    Kaum hatte ich den Fuß auf die nächste Stufe gesetzt, als Lacey mir von oben entgegenkam. Eine rundliche Person, mehr als ein Dutzend Jahre älter als ich, doch sie hüpfte die Treppe hinunter wie ein kleines Mädchen. Mit einem lauten: »Da bist du ja!« stürzte sie sich auf mich, als wäre ich eine verlorengegangene Schere aus ihrem Nähkorb. Ehe ich mich’s versah, hatte sie meinen Arm ergriffen und schob mich unerbittlich den Korridor entlang. »Ich bin heute mindestens hundertmal diese Treppe hinauf und hinunter gelaufen. Meine Güte, bist du gewachsen! Prinzessin Philia ist fast nicht mehr sie selbst, und das ist deine Schuld. Sie rechnet fest damit, jeden Augenblick dein Klopfen an der Tür zu hören. Wie glücklich sie über deine Rückkehr war!« Sie schaute aus ihren glänzenden Vogelaugen zu mir auf. »Wenigstens heute morgen noch«, bekannte sie und fügte hinzu: »Du mußt krank gewesen sein. Diese Ringe unter deinen Augen…«
    Ohne daß ich Gelegenheit gehabt hätte, etwas einzuwerfen, setzte sie ihren Redeschwall fort. »Als du dich am frühen Nachmittag immer noch nicht hattest blicken lassen, wurde sie langsam ärgerlich. Beim Abendessen war sie dermaßen empört über deine Unhöflichkeit, daß sie kaum einen Bissen hinunterbrachte. Seither hat sie beschlossen, den Gerüchten Glauben zu schenken, die sagen, du wärst dem Tode nahe gewesen. Sie ist überzeugt, daß du entweder irgendwo zusammengebrochen bist oder daß Burrich dich zwingt, den Stall auszumisten, obwohl du der Schonung bedarfst. Nun, da wären wir, hinein mit dir, hier bringe ich ihn, Mylady.« Und sie bugsierte mich mit Schwung in Philias Gemächer.
    Laceys Geplauder hatte bei aller Munterkeit einen merkwürdigen Unterton, als redete sie um etwas herum. Ich zögerte an der Tür und fragte mich, ob Philia vielleicht krank war, oder sollte ihr ein Unglück zugestoßen sein? Falls das eine oder andere zutraf, waren ihre Lebensgewohnheiten davon unbeeinflußt geblieben. In ihren Gemächern herrschte unverändert Chaos. All das Grünzeug rankte und wuchs und wucherte und verlor Blätter. Ihre Menagerie hatte sich um zwei Tauben erweitert. Ein Dutzend oder mehr Hufeisen lagen im Zimmer verstreut. Auf dem Tisch brannte eine dicke Myrikakerze {2} und verbreitete einen angenehmen Duft, gleichzeitig tropfte aber Wachs auf einige getrocknete Blumen und Kräuter auf dem Tablett daneben. Ein Bündel eigenartig geschnitzter fingerlanger Stäbe war ebenfalls bedroht. Es schienen Wahrsagehölzer zu sein, wie die Chyurda sie benutzten.
    Als ich eintrat, kam ihre drahtige kleine Terrierhündin gelaufen, um mich schwanzwedelnd zu begrüßen. Ich bückte mich, um sie zu streicheln und fragte mich dann, ob das klug gewesen war. Um die plötzliche Benommenheit zu überspielen, hob ich vorsichtig eine Schrifttafel vom Boden auf. Es war ein altes, vermutlich wertvolles Stück über den Gebrauch der Wahrsagehölzer. Philia wandte sich von ihrem Webrahmen ab, um mich zu begrüßen.
    »Lieber Himmel, steh auf und sei nicht so albern«, rief sie aus. »Niederknien ist Unfug, oder willst du mich vergessen machen, wie unhöflich du gewesen bist, nicht gleich zu mir zu kommen? Was hast du mir da mitgebracht? Oh, wie umsichtig von dir. Wie konntest du wissen, daß ich mich damit beschäftige? Ich habe die gesamte Bibliothek durchsucht und fast gar nichts über die Zukunftsstäbchen gefunden!«
    Sie nahm mir die Tafel aus der Hand und sah, über das vermeintliche Geschenk lächelnd zu mir auf. Hinter ihrem Rücken zwinkerte Lacey mir zu, und ich hob kaum merklich die Schultern. Philia hatte die Schrifttafel zu anderen auf einen gefährlich schiefen Stapel gelegt und wandte mir wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu. Ihre erst noch freundliche Miene veränderte sich, als ihr einfiel, daß sie einen Groll gegen mich hegte. Sie runzelte die Brauen über den haselnußbraunen Augen, und ihr kleiner Mund bekam einen energischen Zug. Die Wirkung ihres strafenden Blicks wurde dadurch beeinträchtigt, daß sie mir nur noch bis zur Schulter reichte und sich zwei dürre Efeublätter in ihr

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