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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schritt ich weit aus und versuchte, nicht zu denken, aber ich merkte, daß das rascher kreisende Blut, statt meinen Körper zu wärmen, meinen Zorn schürte. Meine Gedanken tänzelten wie ein am kurzen Zügel gehaltenes Pferd.
    Als ich seinerzeit zum erstenmal nach Burgstadt kam, ein kleiner Junge im Sattel hinter Burrich, war es ein geschäftiger, schmuddeliger kleiner Ort gewesen. In den letzten zehn Jahren war es gewachsen und gewachsen und kultivierte eine Fassade der Urbanität, aber der Ursprung ließ sich nicht verleugnen.
    Die Häuser zogen sich die steilen Klippen hinunter bis zum felsigen Ufer; aus Raumnot hatte man Schuppen und Warenlager auf Pfählen ins Wasser hinausgebaut. Der geschützte tiefe Hafen zog Kauffahrer und Händler an. Nach Norden hin hatte die Küste ein sanfteres Gesicht, dort mündete der Bocksfluß ins Meer, auf dem Waren bis tief ins Landesinnere verschifft wurden, aber die Mündungsebene war hochwassergefährdet und der Ankergrund unsicher, da der Fluß oftmals seinen Lauf änderte. Infolgedessen hatte sich der Ort in dieser Richtung nicht weiter ausgedehnt. Die Häuser, Läden und Tavernen, klebten dicht an dicht an den Hängen, ähnlich einer Brutkolonie von Seevögeln, ohne Schutz dem Wind ausgesetzt, der in wechselnder Stärke unausgesetzt durch die schmalen, kopfsteingepflasterten Gassen wehte. Je höher man stieg, desto stattlicher die Villen und Kontore, solide Holzbauten, tief im Fels verankert. In dieser Gegend kannte ich mich wenig aus, mein Revier als Kind waren die weniger reputierlichen Viertel der Kramläden und Spelunken unten am Hafen gewesen.
    Als ich nach meinem tristen Marsch durch die graue Morgendämmerung dort ankam, dachte ich ironisch, wieviel besser es sowohl für Molly als auch für mich gewesen wäre, hätten wir nie den Fehler begangen, uns anzufreunden. Ihr guter Ruf hatte durch mich gelitten, und wenn ich mich nicht von ihr fernhielt, lief sie Gefahr, eine Zielscheibe für Edels Boshaftigkeit zu werden. Was mich anging, so war der Schmerz, als ich glaubte, sie habe mich für einen anderen verlassen, eine Bagatelle, verglichen mit der Qual, sie in der Überzeugung zu lassen, ich hätte sie belogen.
    Ich erwachte aus meinem Grübeln und stellte fest, daß meine verräterischen Füße mich geradewegs zur Tür ihres ehemaligen Kerzenladens geführt hatten. Jetzt war es eine Tee- und Kräuterhandlung. Genau was Burgstadt brauchte, noch eine Tee- und Kräuterhandlung. Ich fragte mich, was aus Mollys Bienenstöcken geworden sein mochte, und begriff plötzlich, daß für Molly das Gefühl des Entwurzeltseins zehnmal, nein hundertmal schlimmer sein mußte. Wie leicht war ich darüber hinweggegangen, daß Molly ihren Vater verloren hatte und mit ihm ihren Lebensunterhalt und ihre Zukunft. Welch ein Schicksalsschlag hingegen für sie, der zur Folge hatte, daß sie sich in der Burg verdingen mußte. Als Dienstmagd. Ich biß die Zähne zusammen und ging weiter.
    Mein Weg führte mich kreuz und quer durch den Ort. Trotz meiner düsteren Stimmung fiel mir auf, wieviel sich in den zurückliegenden sechs Monaten verändert hatte. Selbst an diesem kalten Wintertag herrschte reges Leben in den Gassen. Die Arbeit auf den Werften hatte Menschen angelockt, und mehr Menschen bedeuteten mehr Umsatz. Ich kehrte in einer Taverne ein, wo Molly, Dick, Kerry und ich uns früher ab und an ein Glas Branntwein zu teilen pflegten. Der billigste Brombeerschnaps war meistens alles, was wir uns leisten konnten. Diesmal saß ich allein an einem Tisch vor einem kleinen Ale, doch ringsum wurde eifrig erzählt, und ich erfuhr so einiges. Nicht allein der Bau der Flotte war für die Belebung von Burgstadts Handel und Wandel verantwortlich. Veritas rief nach Seeleuten, um seine Kriegsschiffe zu bemannen, und Scharen von Männern und Frauen aus sämtlichen Küstenprovinzen waren dem Ruf gefolgt. Manche kamen, um Rache zu nehmen, für Freunde oder Angehörige, die von Piraten getötet oder entfremdet worden waren. Einige trieb die Abenteuerlust her oder die Hoffnung auf Beute, oder sie waren heimatlos geworden. Andere stammten aus Fischer- oder Kaufmannsfamilien und hatten Erfahrung zur See, wieder andere waren die früheren Schäfer und Bauern aus zerstörten Dörfern. Es machte wenig Unterschied. Alle waren nach Burgstadt gekommen, weil sie darauf brannten, das Blut der Roten Korsaren zu vergießen.
    Zum größten Teil waren sie in ausgeräumten Lagerhäusern untergebracht. Hod, die

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