Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Bursche.« Er gab dem Käfig einen Stoß mit dem Fuß, und ich warf mich gegen die hölzernen Stangen und schnappte nach ihm und es tat weh, aber das wollte ich ertragen, wenn ich nur einmal die Zähne in sein Fleisch schlagen könnte, ah, ich würde es ihm von den Knochen reißen und nie mehr loslassen.
Nein. Geh weg. Verschwinde aus meinem Kopf. »Ich weiß, was ich will«, beschied ich den Händler barsch und verschloß mich den Gefühlen des Wolfs.
»Weißt du das, ja?« Der Kerl versuchte zu schätzen, was er mir mit einiger Aussicht auf Erfolg abverlangen konnte. Meine ausgewachsenen Kleider gefielen ihm nicht, ebensowenig meine Jugend, doch ich nahm an, daß er den Wolf schon eine ganze Weile mit sich herumschleppte. Er hatte wohl gehofft, mit dem Welpen ein gutes Geschäft zu machen; nun, da das Tier größer wurde und mehr Futter brauchte, aber nicht bekam, war er wahrscheinlich froh, überhaupt noch etwas herauszuschlagen. »Wofür willst du ihn haben?« erkundigte er sich ohne großes Interesse.
»Für den Kampfplatz«, antwortete ich obenhin. »Es ist nicht viel an ihm dran, aber vielleicht taugt er noch für etwas Unterhaltung.«
Der Wolf sprang plötzlich gegen die Gitterstäbe, geifernd, mit gefletschten Zähnen. Ich töte sie, ich töte sie alle, reiße ihr Kehle auf, zerfetze ihren Bauch…
Sei still, wenn du deine Freiheit wiederhaben willst. Ich stemmte gegen ihn, und das Tier sprang zurück wie von einer Biene gestochen. Es zog sich in den hintersten Winkel seines Käfigs zurück und kauerte sich mit eingekniffenem Schwanz dort nieder.
»Hundekämpfe, wie? Na, dafür ist er genau richtig.« Wieder stieß der Mann mit der Stiefelspitze gegen den Käfig, aber der Wolf reagierte nicht. »Er wird dir einiges an Wettgewinnen einbringen. Der Bursche ist wilder als ein Vielfraß.« Diesmal trat er fester gegen den Käfig. Der Wolf machte sich noch kleiner.
»Danach sieht er aus«, sagte ich geringschätzig, wandte mich ab, als hätte ich das Interesse verloren, und musterte angelegentlich die gefiederte Ware. Während die Tauben einigermaßen gepflegt aussahen, hockten zwei Eichelhäher und eine Krähe in einem viel zu kleinen und verdreckten Käfig, dessen Boden mit verschimmelten Fleischbrocken und Kot übersät war. Die Krähe sah aus wie ein Bettler in schwarzen Lumpen. An dem glänzenden Käfer picken, riet ich den Vögeln. Vielleicht findet ihr einen Weg hinaus. Die Krähe blieb mit eingezogenem Kopf gleichgültig sitzen, aber einer der Häher flatterte auf eine höhere Stange und begann, an dem Metallbolzen zu rütteln und zu ziehen, der als Riegel diente. Ich richtete meinen Blick wieder auf den Wolf.
»Ich hatte nicht vor, ihn kämpfen zu lassen. Eigentlich wollte ich ihn den Hunden vorwerfen, zum Aufwärmen. Wenn sie Blut geleckt haben, legen sie sich besser ins Zeug.«
»Aber er wird einen guten Kämpfer abgeben. Hier, sieh dir das an. Das hat er vor einem Monat getan. Ich wollte ihm Futter geben, als er sich auf mich stürzte.«
Er krempelte den Ärmel hoch und entblößte ein schmutziges Handgelenk, gezeichnet von roten, geschwollenen Bißspuren. Ich schaute nur flüchtig hin. »Scheint entzündet zu sein. Keine Angst, die Hand zu verlieren?«
»Ist nicht entzündet, heilt nur sehr langsam, weiter nichts. Sieh mal, Junge, ein Wetter zieht auf. Ich will meine Sachen auf den Karren packen und verschwinden, bevor es losbricht. Will du mir also ein Angebot für den Wolf machen oder nicht? Ich sage dir, er ist ein Sieger.«
»Er taugt vielleicht noch als Köder zur Bärenjagd, aber mehr auch nicht. Ich gebe dir, laß sehen, sechs Kupferlinge.« Sieben waren mein ganzes Vermögen.
»Kupferlinge? Junge, wir reden hier über Silberstücke, mindestens. Verflucht, er ist ein kräftiger Bursche. Füttere ihn heraus, und er lehrt deine Köter das Fürchten. Sechs Kupferlinge könnte ich allein für das Fell bekommen, hier und jetzt.«
»Dann solltest du den Handel machen, bevor er noch dürrer wird. Und bevor er sich entschließt, dir auch noch die andere Hand abzureißen.« Ich beugte mich über den Käfig und stemmte dabei, und der Wolf drückte sich noch enger an den Boden. »Krank sieht er aus. Mein Herr wird es mich entgelten lassen, wenn ich ihn anbringe, und die Hunde holen sich bei ihm die Räude oder sonst was.« Ich schaute zum Himmel. »Da, es fängt an zu schneien. Ich sehe besser zu, daß ich unter ein Dach komme.«
»Ein Silberstück, Junge. Und das ist so gut wie
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