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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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seinen Körper. Alter Schorf, Schwellungen über den Rippen. Ich stand auf und versetzte dem Käfig einen heftigen Tritt. Der Wolf kam und lehnte sich gegen mein Bein. Hunger. Kalt. Müde. Seine Empfindungen sickerten in mein Bewußtsein. Wenn ich ihn berührte, war es noch schwieriger, meine Gedanken von den seinen zu trennen. War es meine Wut darüber, wie man ihn behandelt hatte, oder die seine? Nicht so wichtig. Ich hob ihn vorsichtig hoch und richtete mich auf. Ohne Käfig, eng an die Brust gedrückt, war er nur noch halb so schwer, nichts als Haut und Knochen. Es tat mir leid, daß ich ihn so scharf in die Schranken gewiesen hatte, doch ich wußte auch, es war die einzige Sprache, die er verstand. »Ich werde mich um dich kümmern«, sagte ich laut, wie ein Herr zu seinem Hund.
    Warm, dachte er dankbar, und ich nahm mir einen Moment Zeit, den Umhang über ihn zu ziehen. Ungewollt wurde ich zum Nutznießer seiner Sinneseindrücke. Ich konnte mich selbst riechen, tausendmal stärker, als mir lieb war. Pferde und Hunde und Holzrauch und Ale und ein Hauch von Philias Parfüm. Ich tat mein Bestes, diese Wahrnehmungen auszusperren, und machte mich an den Aufstieg zur Burg. Unterwegs dachte ich an die verlassene Kate, von der ich wußte. Ein alter Schweinehirt hatte dort gehaust, noch ein gutes Stück hinter den Kornspeichern. Nach ihm hatte niemand dort einziehen wollen, sie war zu baufällig und weitab vom Leben und Treiben der Burg. Genau deshalb war sie für meine Zwecke ideal. Dort konnte ich den Wolf unterbringen, mit ein paar Knochen zum Benagen, einem Napf mit gekochtem Getreide und einem Strohbündel als Lagerstatt. Eine Woche oder zwei, höchstens ein Monat, bis er wieder gesund war und kräftig genug, um selbst für sich zu sorgen. Dann konnte ich ihn zur Westseite der Burg schaffen und freilassen.
    Fleisch?
    Ich seufzte. Fleisch, versprach ich. Niemals hatte ein Tier meine Gedanken so vollständig erfaßt oder sich mir so deutlich mitgeteilt. Nur gut, daß er nicht lange bleiben würde. So bald wie möglich mußte er zurückkehren in seine Welt.
    Warm, bekundete er seine Zufriedenheit mit dem augenblicklichen Zustand. Er bettete den Kopf auf meine Schulter und schlief ein. Seine feuchte Nase bohrte sich in mein Ohr, und ich spürte seinen schnaufenden Atem.

KAPITEL 5
GAMBIT
     
    Sicherlich gibt es einen altmodischen Ehrenkodex, und sicherlich waren seine Regeln strenger als unsere heute. Doch ich möchte behaupten, daß wir uns gar nicht so weit von diesen Grundsätzen entfernt haben, höchstens erscheinen sie inzwischen in ein gefälligeres Gewand gekleidet. Für den Kriegsmann ist nach wie vor ein Wort ein Wort, und bei denen, die Seite an Seite kämpfen, ist nichts verächtlicher als einer, der seine Kameraden belügt oder sie in Unehre bringt. Das Gesetz der Gastfreundschaft verbietet immer noch dem, der an eines Mannes Tisch Salz gegessen hat, in dessen Hause Blut zu vergießen.
     
    Der Winter festigte seine Herrschaft über das Land. Stürme von See her brausten mit eisiger Wut über uns hinweg, gewöhnlich brachten sie Schnee in gewaltigen Mengen, der auf den Zinnen saß wie Sahnehauben auf Nußtörtchen. Die Zeiten der Dunkelheit wurden länger, und in klaren Nächten glitzerten die Sterne in frostiger Pracht am tiefschwarzen Himmel. Nach meiner langen Reise zu Pferd aus dem Bergreich in die Ebene hatte für mich der Winter viel von seinem Schrecken verloren. Auf meinem täglichen Gang zu den Ställen und zu der verfallenen Kate mochte mir die Kälte ins Gesicht beißen und Reif meine Wimpern verkleben, ich war mir stets bewußt, daß nur wenige Schritte entfernt mein Zuhause und ein Feuer im Kamin auf mich warteten. Die Stürme und der Frost, die uns anknurrten wie Wölfe vor der Tür, waren zugleich die Schutzmacht, die die Roten Korsaren von unseren Küsten fernhielt.
    Die Zeit verging quälend langsam. Chades Vorschlag folgend, stattete ich jeden Tag Kettricken einen Besuch ab, doch wir waren uns zu ähnlich in unserer Rastlosigkeit. Bestimmt stellte ich ihre Geduld nicht weniger auf die Probe als sie meine. Mit dem Welpen beschäftigte ich mich nicht mehr als nötig, aus Angst, es könnte sich doch eine zu innige Beziehung zwischen uns entwickeln. Andere Pflichten hatte ich nicht. Der Tag hatte zu viele Stunden, und alle waren von dem Gedanken an Molly erfüllt. Am schlimmsten waren die Nächte, wenn mein schlafendes Bewußtsein aller Beschränkungen ledig war und sie in meinen Träumen zu

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