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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mir kam, lebendig und strahlend in ihren roten Röcken, die jetzt so bescheiden und trist in Gesindeblau einherging. Wenn ich bei Tag nicht in ihrer Nähe sein durfte, umwarb sie mein schlafendes Ich mit einem Nachdruck und einer Zielstrebigkeit, wie ich es im Wachen nie gewagt hatte. Spazierten wir nach einem Sturm am Strand entlang, hielt ich ihre Hand. Ich küßte sie erfahren, ohne Unsicherheit, und begegnete frei ihrem Blick, ohne etwas zu verbergen. Niemand konnte mich von ihr fernhalten. In meinen Träumen.
    Anfangs erlag ich der Verlockung, das von Chade Gelernte zu nutzen und ihr nachzuspionieren. Ich wußte, welche Kammer im Stockwerk des Gesindes ihre war, ich wußte, welches Fenster dazu gehörte. Ich wußte Bescheid über ihr Kommen und Gehen. Es war beschämend, heimlich dort zu stehen, wo ich hoffen konnte, ihren Schritt auf der Treppe zu hören und einen Blick auf sie zu erhaschen, wenn sie sich auf den Weg zum Markt machte, doch wie sehr ich auch versuchte, mich zu beherrschen, ich kam nicht dagegen an. Ich kannte ihre Freundinnen unter den Mägden. Mit ihr selbst durfte ich nicht reden, aber nichts verbot mir, mit ihnen zu plaudern und vielleicht etwas über Molly zu erfahren. Meine Sehnsucht war unerträglich. Ich konnte nicht schlafen, Essen war mir gleichgültig. Alles war mir gleichgültig.
    Eines Abends saß ich in der Wachstube neben der Küche, auf einem Platz in der Ecke, wo ich, an die Wand gelehnt, die Füße auf die Bank gegenüber legen konnte, um anzuzeigen, daß ich keine Gesellschaft wünschte. Vor mir stand ein Krug Ale, längst schal geworden. Ich brachte nicht einmal die Entschlußkraft auf, mich zu betrinken. Unfroh starrte ich ins Leere und versuchte, an gar nichts zu denken, als mir mit einem Ruck die Bank unter den Füßen weggezogen wurde. Fast wäre ich auf den Boden gerutscht. Als ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, sah ich Burrich, der mir gegenüber Platz nahm.
    »Was fehlt dir?« fragte er ohne Umschweife. Leiser fügte er hinzu: »Hast du wieder einen Anfall gehabt?«
    Ich richtete den Blick auf die Tischplatte und antwortete ebenso leise: »Ein paarmal hat mich das Zittern überkommen, richtige Anfälle waren es nicht. Sie scheinen nur aufzutreten, wenn ich mich zu sehr anstrenge.«
    Er nickte ernst und wartete. Als ich aufschaute, begegnete ich dem Blick seiner dunklen Augen. Die Anteilnahme darin ließ meine Fassade zusammenbrechen. Ich schüttelte den Kopf und mußte zweimal ansetzen, bevor ich weitersprechen konnte. »Es ist Molly«, sagte ich endlich.
    »Du hast nicht herausfinden könne, wohin sie gegangen ist?«
    »Doch. Sie ist hier in Bocksburg, als Philias Dienstmagd. Aber Philia will mich nicht mit ihr reden lassen, sie sagt…«
    Bei meinen ersten Worten waren Burrichs Augen groß geworden, jetzt schaute er sich nach allen Seiten um und deutete mit einem Kopfnicken zur Tür. Ich stand auf und folgte ihm zu den Stallungen und dann hinauf in seine Kammer. Wie in alten Zeiten saß ich an seinem Tisch, vor seinem Kamin, während er seinen guten Tilthbrandy hervorholte und zwei Becher. Dazu gesellten sich sein Sattlerwerkzeug und reparaturbedürftiges Zaumzeug. Mir reichte er ein Kopfgeschirr, bei dem ein schadhafter Riemen ausgewechselt werden mußte. Er selbst legte sich eine komplizierte Verzierung am Seitenblatt eines Sattels zurecht. Schließlich zog er seinen Stuhl heran, setzte sich und schaute mich an. »Diese Molly. Kann es sein, daß ich sie im Waschhaus gesehen habe, mit Lacey? Trägt den Kopf hoch? Rötlich schimmerndes Fell?«
    »Haar«, berichtigte ich ihn widerwillig.
    »Schöne breite Hüften. Sie wird leicht gebären«, bemerkte er fachmännisch.
    Ich warf ihm einen bösen Blick zu. »Vielen Dank.«
    Er besaß die Unverfrorenheit zu grinsen. »Schon besser. Wütend bist du mir lieber, als wenn du in Selbstmitleid ertrinkst. Nun gut. Heraus damit.«
    Und ich erzählte, wahrscheinlich viel mehr, als ich in der Wachstube gesagt hätte, denn hier waren wir unter uns, der Brandy rann mir warm durch die Kehle, und ich war umgeben von den vertrauten Gegenständen und Gerüchen seiner Kammer und seiner Arbeit. Hier, wenn überhaupt irgendwo, war meine Zuflucht gewesen, ein Ort der Geborgenheit, deshalb erschien es mir auch als der rechte Ort, meinen Schmerz zu offenbaren. Burrich sagte nichts, machte keine Einwürfe. Selbst nachdem ich geendet hatte, schwieg er, und ich sah zu, wie er Farbe in die Umrisse des Bocks rieb, den er in das Leder

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