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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dich nicht oder könnte wenigstens aufhören zu zeigen, daß ich dich liebe, weil meine Liebe dich in tödliche Gefahr bringt, und spräche trotzdem die Wahrheit?« Steif wandte ich mich zum Gehen.
    »Und wie könnte ich sagen, ich wäre aus deinem Gerede klug geworden und spräche trotzdem die Wahrheit?« wunderte Molly sich stirnrunzelnd.
    Ihre Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton. Ich drehte mich langsam zu ihr herum. Einen Moment lang standen wir uns stumm gegenüber, dann brach sie in Gelächter aus, kam lachend auf mich zu, schloß mich in die Arme und sah mir in das gekränkte Gesicht. »Ach, Neuer, du gehst verschlungene Wege, um mir deine Liebe zu gestehen. In meine Kammer einbrechen und dann dastehen und lange Reden halten. Warum konntest du nicht einfach sagen ›Ich liebe dich‹ und viel, viel früher?«
    Ich stand überrumpelt in ihrer Umarmung und sah auf sie hinunter. In meinem Kopf ging alles durcheinander, und benommen suchte ich Halt in der banalen Erkenntnis, daß ich inzwischen ein gutes Stück größer war als sie.
    »Nun?«
    »Ich liebe dich, Molly.« So leicht war es auszusprechen. Und was für eine Erleichterung, es ausgesprochen zu haben. Langsam, zaghaft, legte ich die Arme um sie.
    Sie blickte mir lächelnd in die Augen. »Und ich liebe dich.«
    Endlich, endlich durfte ich sie küssen, und als unsere Lippen sich berührten, begann irgendwo in der verschneiten Weite um Bocksburg ein Wolf zu heulen, und wie auf ein Zeichen fielen kläffend und bellend die Hunde ein. Ihrer aller Stimmen vermischten sich zu einem Chor von ursprünglicher Wildheit, der in den frostigen Nachthimmel aufstieg.

KAPITEL 9
WÄCHTER UND BINDUNGEN
     
    Zu einem großen Teil bejahte und unterstützte ich Fedwrens größten Traum. Ginge es nach ihm, wäre Papier so alltäglich wie Brot, und jedes Kind hätte noch vor seinem dreizehnten Lebensjahr essen und schreiben gelernt. Doch auch wenn sich dieser Traum verwirklichen ließe, bezweifle ich, daß seine Erwartungen in jeder Beziehung erfüllt würden. Er beklagt all das Wissen, das beim Tode eines Menschen mit ihm ins Grab sinkt, auch des einfachsten und bescheidensten. Er spricht von einer Zukunft, in der die Methode eines Hufschmieds, ein Eisen anzupassen, oder das Geschick eines Schiffszimmermanns in der Handhabung des Schlichthobels, mit Feder und Tinte auf Papier beschrieben und festgehalten werden, damit jeder, der lesen kann, die Möglichkeit hat, diese Dinge ebenfalls zu lernen. Ich halte nichts davon. Das geschriebene Wort vermittelt Wissen und Kenntnisse, doch manche Fertigkeiten lernt man erst mit der Hand und dem Herzen und später mit dem Kopf. Daran glaube ich fest, zumal ich gesehen habe, wie Mastfisch das fischförmige Bauteil, nach dem er heißt, in das erste von Veritas Schiffen einpaßte. Er hatte das fertige Stück vor seinem inneren Auge gesehen und mit seinen Händen die Form geschaffen, von der sein Herz ihm sagte: ›So muß es sein‹. Dergleichen kann man nicht aus Schriften lernen. Vielleicht kann man es überhaupt nicht lernen, sondern es ist, wie die Gabe oder die Alte Macht, ein Erbteil unserer Ahnen.
     
    Ich kehrte in mein eigenes Gemach zurück, setzte mich vor den fast erloschenen Kamin und wartete darauf, daß die Burg zum Leben erwachte. Im Grunde hätte ich todmüde sein müssen, doch ich vibrierte vor innerer Erregung. Ich bildete mir ein, wenn ich ganz still säße, könnte ich immer noch die Wärme von Mollys Armen spüren, die mich umfingen. Ich wußte genau die Stelle, wo ihre Wange die meine berührt hatte. Etwas von ihrem Duft haftete noch an meinem Hemd, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich es anbehalten sollte, damit er mich durch den Tag begleitete, oder es lieber sorgsam in meine Kleidertruhe legen, um ihn mir zu bewahren. Ich empfand es nicht als töricht, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn ich zurückblicke, muß ich lächeln, doch über meine Weisheit, nicht über meine Unvernunft.
    Der Morgen brachte Sturm und Schneegestöber, doch um so mehr Geborgenheit vermittelten die dicken Mauern. Vielleicht verhalf uns das Wetter zu einer Atempause und der Gelegenheit, uns von dem gestrigen Tag zu erholen. Ich scheute die Erinnerung an die vielen Toten, ihre ausgemergelten, verrenkten Leiber, die stillen, kalten Gesichter; an die prasselnden Flammen, die Kerrys Leichnam verzehrt hatten. Wir konnten alle einen ruhigen Tag gebrauchen. Vielleicht fand uns der Abend am Feuer versammelt, zu Geschichten, Musik

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