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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sehen.«
    Lachhaft. Beinahe eine Farce, daß diese menschenscheue, altjüngferliche Frau mit solchem Ernst von den Gefahren einer Welt sprach, durch deren harte Schule ich seit meinem sechsten Lebensjahr gegangen war.
    So hätte man es sehen können, doch statt dessen fühlte ich Tränen in den Augenwinkeln brennen. Ich hatte immer gerätselt, weshalb Philia nach Bocksburg zurückgekehrt war, um inmitten einer Gesellschaft, die ihr offenbar nicht zusagte, das Leben einer Einsiedlerin zu führen. Nun wußte ich es. Meinetwegen. Sie war gekommen, um dafür zu sorgen, daß mir kein Leid geschah.
    Burrich hatte mich beschützt, Chade und selbst Veritas auf seine Art. Nicht zu vergessen Listenreich, der mich schon früh zu seinem Vasallen gemacht hatte. Doch alle hatten, auf diese oder jene Weise, ein eigennütziges Interesse an meinem Wohlergehen. Sogar Burrich hätte es als einen schweren Schlag für seinen Stolz empfunden, falls es jemandem gelungen wäre, mich zu töten, während ich unter seinem Schutz stand. Nur dieser Frau, die von Rechts wegen nichts als Abscheu für mich hätte empfinden dürfen, ging es bei dem, was sie tat, allein um mich. Sie war so oft töricht und aufdringlich und manchmal kaum zu ertragen, doch als unsere Blicke sich trafen, spürte ich, sie hatte die letzte Mauer durchbrochen, die noch zwischen uns stand. Ich bezweifelte sehr, daß ihre Anwesenheit dazu beigetragen hatte, die Feindseligkeit zu vermindern, die man mir entgegenbrachte. Im Gegenteil. Ihr Interesse an mir mußte Edel ständig daran erinnert haben, wer mein Vater gewesen war. Doch es war nicht die Tat, sondern die Absicht, die mich rührte. Sie hatte ihr ruhiges Dasein aufgegeben, ihre Haine und Gärten, um hierher zu kommen, zu einer feuchten Burg aus Stein, auf hohen Klippen über dem Meer, zu Menschen, unter denen sie sich fremd fühlte, um über den Bastardsohn ihres Gemahls zu wachen.
    »Ich danke Euch«, sagte ich leise. Und es kam mir von Herzen.
    »Nun«, sie wich meinem Blick aus, »nun, es ist gern geschehen, weißt du.«
    »Ich weiß. Doch um die Wahrheit zu sagen, ich bin heute morgen hergekommen, weil ich dachte, vielleicht sollte jemand Euch und Lacey warnen, auf der Hut zu sein. Die Zeiten sind unruhig, und man könnte Euch als – Hindernis sehen.«
    Jetzt war es Philia, die lachte, laut und herzlich.
    »Ich! Ich? Die wunderliche, unverständige, einfältige alte Philia? Philia, die unfähig ist, länger als zehn Minuten bei einer Sache zu bleiben? Philia, durch den Tod ihres Gemahls fast um den Verstand gebracht? Mein Junge, ich weiß, was sie über mich reden. Niemand sieht in mir ein Hindernis oder eine Bedrohung. Ich bin weiter nichts als eine leichte Zielscheibe für Spötteleien, eine kuriose Erscheinung. Doch selbst wenn es sich anders verhielte, habe ich die Gewohnheiten eines ganzen Lebens, um mich zu schützen. Und Lacey.«
    »Lacey?« Meine Stimme klang ungläubig, ein Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit. Ich drehte mich um und zwinkerte Lacey zu, doch sie erwiderte meinen Blick mit gerunzelten Brauen, und ehe ich einen Finger rühren konnte, war sie von ihrem Schaukelstuhl aufgesprungen und bei mir. Eine der langen Stricknadeln stach in meine Halsschlagader, die andere bohrte sich bedeutungsvoll in eine bestimmte Stelle zwischen meinen Rippen. Um ein Haar wäre mir ein Malheur passiert. Ich hob den Blick zu einer Frau, die mir plötzlich fremd war, und wagte kaum zu atmen.
    »Schäm dich, den Jungen zu erschrecken«, wies Philia sie gutmütig zurecht. »Ja, Fitz, Lacey. Die begabteste Schülerin, die Hod jemals hatte, obwohl sie als schon erwachsene Frau zu ihr kam, um sich unterrichten zu lassen.« Während Philia sprach, kehrte Lacey zu ihrem Stuhl zurück, setzte sich und fädelte geschickt die Nadeln wieder in ihr Strickzeug. Ich schwöre, sie ließ nicht eine Masche fallen. Anschließend sah sie mich an und zwinkerte. Und strickte weiter, als wäre nichts gewesen. Ich holte tief Atem.
    Ein sehr kleinlauter Assassine verließ kurz darauf die Gemächer der beiden bemerkenswerten Frauen. Auf dem Weg zur Treppe fiel mir ein, daß Chade gesagt hat, ich würde Lacey unterschätzen. Ich fragte mich sarkastisch, ob das sein Sinn für Humor war oder ob er mich lehren wollte, mehr Respekt vor den scheinbar Sanftmütigen zu haben.
    Gedanken an Molly drängten sich in meine Überlegungen. Ich weigerte mich standhaft, ihnen nachzugeben, konnte aber nicht der Versuchung widerstehen, den Kopf zu

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