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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und Gesprächen.
    Ich hoffte es. Zu diesem Idyll waren es allerdings noch etliche Stunden hin, und in der Zwischenzeit hatte ich Wichtiges zu tun.
    Chades Warnung eingedenk, wollte ich Philia und Lacey aufsuchen, aber statt zu ihnen zu gehen, saß ich wie auf glühenden Kohlen in meinem Zimmer. Ich wußte den genauen Zeitpunkt, wann Molly in die Küche hinunterging, um Philia das Frühstück zu holen, und auch, wann sie damit zurückkam. Weshalb sollte ich nicht auf der Treppe oder im Korridor mit ihr zusammentreffen – eine zufällige Begegnung, weiter nichts. Doch ich hatte keine Zweifel, daß es Spitzel gab, die mich beobachteten, und sie würden Verdacht schöpfen, wenn solche ›Zufälle‹ häufiger vorkamen. Nein. Die geringste Unvorsichtigkeit konnte verheerende Folgen haben. Ich würde Molly beweisen, daß ich eines Mannes Selbstbeherrschung und Fähigkeit zum Verzicht besaß. Wenn ich warten mußte, bevor ich ihr den Hof machen durfte, dann war ich bereit zu warten. Deshalb saß ich in meinem Zimmer und litt mannhaft, bis ich sicher sein konnte, daß sie Philias Gemächer verlassen hatte. Dann ging ich die Treppe hinunter und klopfte an. Während ich darauf wartete, daß Lacey mir öffnete, mußte ich wieder daran denken, daß die Anweisung, doppelt so gut wie bisher auf meine Schutzbefohlenen aufzupassen, leichter zu geben als auszuführen war. Doch ich hatte mir einiges überlegt. Gestern abend hatte ich bereits einen Anfang gemacht, als ich Molly das Versprechen abnahm, den beiden Frauen keine Speisen zu bringen, die nicht von ihr selber zubereitet waren oder aus den für die Allgemeinheit bestimmten Schüsseln und Töpfen stammten. Sie hatte einen Schmollmund gezogen, denn die Bitte erfolgte nach einem höchst leidenschaftlichen Adieu. »Jetzt hörst du dich an wie Lacey«, hatte sie sich beschwert und mir die Tür vor der Nase zugemacht. Um sie einen Moment darauf wieder zu öffnen und festzustellen, daß ich noch davor stand wie angewachsen. »Geh zu Bett«, stichelte sie und fügte errötend hinzu: »Und träum von mir. Ich hoffe, ich habe so oft deine Träume heimgesucht wie du die meinen.« Diese Worte genügten, um mich in die Flucht zu schlagen, und seither schoß mir jedesmal, wenn ich daran dachte, das Blut ins Gesicht.
    Als ich jetzt Philias Gemächer betrat, versuchte ich, mir all das aus dem Kopf zu schlagen. Ich war nicht zum Spaß hier, auch wenn Philia glauben sollte, es handele sich nur um einen Höflichkeitsbesuch. Im Vorbeigehen warf ich einen Blick auf das Schloß an der Tür und war zufrieden. Es war besser als das an Mollys Tür und nicht so ohne weiteres mit einem Gürtelmesser auszuhebeln. Und die Fenster – selbst wenn es jemandem gelang, die Außenmauer zu erklimmen, erwarteten ihn als Hindernisse nicht allein fest verbarrikadierte Fensterläden, sondern dahinter ein Wandteppich sowie Reihe um Reihe von Topfpflanzen, die wie Soldaten zur Schlacht vor dem verschlossenen Fenster aufgestellt waren. Kein erfahrener Assassine würde sich auf diesen mit Stolperfallen gespickten Weg einlassen. Lacey setzte sich hin und nahm wieder ihr Strickzeug zur Hand, während Philia mich begrüßte. Sie saß wie ein junges Mädchen vor dem Kamin auf dem Boden und stocherte müßig in der Glut. »Wußtest du«, fragte sie plötzlich, »daß es eine lange Tradition starker Königinnen hier in Bocksburg gibt? Und nicht alle entstammten dem Geschlecht der Weitseher. Manch ein Weitseher-Prinz nahm eine Frau zur Gemahlin, deren Name in der Geschichte schließlich den seinen überstrahlte.«
    »Glaubt Ihr, Kettricken wird eine solche Königin sein?« fragte ich höflich. Ich hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte.
    »Ich weiß es nicht.« Wieder stocherte sie zwischen den zerfallenden Scheiten. »Ich weiß nur, ich wäre keine gewesen.« Aufseufzend hob sie den Blick und sagte in fast entschuldigendem Ton: »Ich habe einen dieser Tage, Fitz, an denen ich daran denken muß, was gewesen ist und was hätte sein können. Ich hätte ihm nie erlauben dürfen, zurückzutreten. Er würde heute noch leben.«
    Was sollte ich darauf antworten? Sie seufzte erneut und zeichnete mit dem Schürhaken Muster in die Asche. »Ich bin heute eine von Nostalgie geplagte Frau, Fitz. Während alle anderen gestern staunend auf Kettricken schauten, erfüllte mich tiefste Unzufriedenheit mit mir selbst. Ich an ihrer Stelle hätte mich in meinen Gemächern verkrochen, genau wie ich es jetzt tue. Deine Großmutter, die war

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