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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Da war der scharfe Stich der Angst und das innerliche Beben, das mich durchlief, sobald ich herausgefordert wurde. Manchmal steigerte es sich zu dem Zittern, das einem Anfall vorausging. Doch außerdem regte sich noch etwas anderes in mir, von dem ich fast vergessen hatte, wie es sich anfühlte. Ärger. Nein, Wut. Die blinde, unbeherrschte Wut, die mir die Kraft verlieh, eine Axt zu heben und einem Gegner den Arm von der Schulter zu trennen oder mich auf ihn zu stürzen und ihm ungeachtet seiner Gegenwehr die Kehle zuzudrücken.
    Fast dankbar begrüßte ich sie in mir und fragte mich, was ihr Wiedererstarken ausgelöst haben mochte. Die Erinnerung an Freunde, die mir für immer genommen waren oder die Bilder von Kämpfen und Sterben, die ich in der letzten Zeit so häufig in meinen Träumen gesehen hatte? Unwichtig. Ich fühlte das Gewicht eines Schwertes an meiner Seite und bezweifelte, daß die zwei Bauernlümmel es bemerkt hatten oder auch nur ahnten, wie ich damit umzugehen verstand. Wahrscheinlich hatten sie nie eine andere Klinge als die Sichel geschwungen, und noch kein anderes Blut gesehen als das eines Hühnchens oder einer Kuh. Nie waren sie nachts aus dem Schlaf gefahren, weil ein Hund angeschlagen hatte, und hatten sich gefragt, ob er vielleicht vor dem Nahen des Feindes warnte, waren nie am Ende eines Tages von den Fischgründen heimwärts gesegelt und hatten gebetet, hinter der Landzunge möge das Heimatdorf friedlich im Abendlicht liegen. Mit Ahnungslosigkeit gesegnete Bauernsöhne, die in dieser fruchtbaren Ebene lebten wie die Made im Speck und keine andere Gelegenheit fanden, ihre Männlichkeit zu beweisen, als sich an einem Fremden zu reiben oder Männer in einem Käfig zu reizen.
    Wären doch alle jungen Menschen in den Sechs Provinzen so ahnungslos.
    Ich zuckte zusammen, als hätte Veritas mir die Hand auf die Schulter gelegt. Fast hätte ich mich nach ihm umgeschaut, doch ich verhielt mich still und forschte in meinem Bewußtsein nach ihm, jedoch ohne etwas zu finden. Nicht das geringste.
    Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob der Gedanke von ihm gekommen war; vielleicht stammte er auch von mir selbst. Und doch sah es Veritas so ähnlich, daß ich nicht daran zweifelte, wem ich die Eingebung verdankte. Meine Wut verrauchte so schnell, wie sie aufgeflammt war. Ich sah mir meine Herausforderer an und wunderte mich fast, sie noch vorzufinden. Halbwüchsige Burschen, kaum trocken hinter den Ohren, ruhelos und erpicht darauf, sich zu beweisen. Dumm und flegelhaft, wie die Jugend es manchmal zu sein pflegt. Nun, weder gedachte ich, der Prüfstein für ihre Männlichkeit zu sein, noch wollte ich an des Capamans Hochzeitstag ihr Blut in den Staub vergießen.
    »Ich glaube, ich habe die Gastfreundschaft dieser Stätte über Gebühr beansprucht«, sagte ich deshalb und stand auf. Ich hatte mich satt gegessen, und auf den halben Krug Bier konnte ich verzichten. Sie hatten jetzt Gelegenheit, mich genauer zu betrachten, und ich sah den einen beim Anblick des Schwertes zusammenzucken. Der andere stemmte sich gewichtig in die Höhe, wie um mich am Weggehen zu hindern, doch sein Freund hielt ihn mit einem unmerklichen Kopfschütteln zurück. Allein gelassen, trat der untersetzte Bursche grinsend zurück, mit einer Gebärde, als wolle er sich an mir nicht die Hände schmutzig machen. Es war erstaunlich leicht, die Beleidigung zu ignorieren. Ohne Eile drehte ich mich um und ging – fort von dem Licht, dem Tanzen, der Musik. Niemand folgte mir.
    Ich suchte mir durch die Gassen einen Weg zum Fluß hinunter, und mit jedem Schritt wuchs in mir eine neugewonnene Entschlossenheit. Also lag nur noch ein Tagesmarsch zwischen mir und Fierant, ein Tagesmarsch zwischen mir und Edel. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, mich auf unsere Konfrontation vorzubereiten. Heute nacht würde ich mir eine Kammer in einer Herberge mieten, in einer Herberge mit Badehaus. Ich würde ein Bad nehmen und mich rasieren. Sollte er mir ins Gesicht blicken, die Narben sehen, die ich ihm verdankte, und wissen, wer gekommen war, ihn zu töten. Und nachher? Wenn es für mich ein Nachher gab und wenn man mich erkannte – nun gut. Alle Welt sollte wissen, daß FitzChivalric aus dem Grab zurückgekehrt war, um an diesem Möchtegernkönig wahres Ius Regis zu üben.
    Solcherart gewappnet, gönnte ich den ersten beiden Gasthäusern, an denen ich vorbeikam, nur einen prüfenden Blick und ging weiter. Aus dem einen drang Getöse, das entweder auf

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