Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Küsten schützen und litten selber Mangel, so daß sie nicht viel an Lebensmitteln oder Bewaffneten entbehren konnten. Die Bocksmarken hielten sich mehr schlecht als recht. Lord Vigilant hatte schließlich eingesehen, wie sehr die Marken zu ihrem Schutz von den benachbarten Provinzen abhängig waren, doch zu spät, um aus dieser Erkenntnis noch nutzbringende Konsequenzen zu ziehen. Er verwandte alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel darauf, Bocksburg zu befestigen. Der Rest der Marken blieb sich selbst überlassen. Die Bevölkerung mußte ihre Verteidigung in die eigene Hand nehmen, unterstützt von den irregulären Truppen, die sich Prinzessin Philia verschrieben hatten. Bearns erwartete keinen Beistand aus dieser Richtung, akzeptierte aber dankbar, was unter dem Efeuwappen an Hilfeleistungen zu ihnen gelangte.
Herzog Brawndy von Bearns, längst über seine besten Jahre als Soldat hinaus, begegnete der Bedrohung durch die Korsaren mit Stahl, der so grau war wie sein Haar und Bart. Er war entschlossen, dem Feind die Stirn zu bieten, und zögerte nicht, seine Schatztruhen zu leeren und das Leben der Seinen aufs Spiel zu setzen, um das Herzogtum bis zum Letzten zu verteidigen. Schließlich ereilte ihn bei der Verteidigung des Stammsitzes seiner Familie, Burg Sturm, der Tod. Doch weder sein Ende noch der Fall von Burg Sturm hielt seine Töchter davon ab, seinen Kampf fortzusetzen und auch weiterhin den Korsaren erbitterten Widerstand zu leisten.
Die lange Zeit, zusammengerollt in meinem Bündel, war an meinem Hemd nicht spurlos vorübergegangen. Es hatte eine seltsame neue Form bekommen. Ich zog es trotzdem an, auch wenn mir der stockige Geruch nicht eben lieblich in die Nase stieg. An meinem Äußeren gab es nicht viel zu retten. Ich band mir das Haar im Nacken zusammen und kämmte mit den Fingern durch meinen Bart. Er war mir zuwider, aber die lästige Prozedur des Rasierens jeden Tag noch mehr. Schließlich verließ ich die Stelle am Flußufer, wo ich meine Katzenwäsche vorgenommen hatte, und ging auf die Lichter zu. Diesmal hatte ich daran gedacht, mich vorzubereiten. Mein Name war Jory. Ich war Soldat gewesen, verstand mich halbwegs auf Pferde und auf den Umgang mit der Feder und hatte durch Korsaren mein Heim verloren. In Fierant, wohin ich unterwegs war, wollte ich versuchen, noch einmal von vorne anzufangen. Dieser Jory war eine Rolle, die zu spielen ich mir zutraute.
Je dunkler es wurde, desto mehr Lichter flammten auf, und ich erkannte, daß ich mich geirrt hatte, was die Größe des Ortes betraf. Vor mir lag eine Stadt, eine ziemlich bedeutende Stadt, die sich ein gutes Stück am Fluß entlangzog. Mein Vorsatz, mich unter Menschen zu wagen, geriet ins Wanken, aber die Vernunft sagte mir, daß es einen Umweg von etlichen Meilen bedeutete, wenn ich mich von diesem flauen Gefühl im Magen bewegen ließ, meinen Plan zu ändern. Ohne Nachtauge, auf den ich Rücksicht nehmen mußte, gab es keinen wirklichen Grund, mir diese unnötige Strapaze aufzubürden. Ich straffte die Schultern, hielt den Kopf hoch erhoben und bemühte mich, mir in Gebaren und Miene nichts von meiner Befangenheit anmerken zu lassen.
In der Stadt ging es erheblich lebhafter zu als in den meisten anderen Orten, durch die ich gekommen war. Fackeln brannten; es herrschte Festtagsstimmung. In den Gassen drängten sich buntgekleidete, fröhliche Menschen. Ich hörte Lachen und Musik. Die Wirtshaustüren waren mit Blumen bekränzt. Ich ließ mich im Strom mittreiben und fand mich schließlich auf dem hell erleuchteten Marktplatz wieder. Hier spielten die Musikanten, und es wurde getanzt. Fässer mit Bier und Wein standen für die Durstigen bereit. Auf langen Tischen häuften sich Brot und Früchte. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Das Brot duftete besonders köstlich für jemanden, der so lange darauf hatte verzichten müssen.
Ich bewegte mich am Rand der Menge entlang, lauschte auf die Gespräche und fand heraus, daß der Capaman der Stadt seine Hochzeit feierte, daher die freie Speisung und die Musik. Wahrscheinlich war Capaman in Farrow eine Art Adelstitel, und dieser besondere war im Volk offenbar wegen seiner Großzügigkeit beliebt. Eine ältere Frau wurde auf mich aufmerksam, kam heran und drückte mir drei Kupfergroschen in die Hand.
»Geh zu den Tischen und iß dich satt, Junge«, forderte sie mich herzlich auf. »Capaman Logis hat verkündet, daß in seiner Hochzeitsnacht alle mit ihm fröhlich sein sollen. Jeder darf
Weitere Kostenlose Bücher