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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Wehe sie packte. »So ist es gut, so ist es richtig.« Wie oft hatte ich ihn diese beruhigenden, aufmunternden Worte im Marstall von Bocksburg sprechen hören. In den Pausen stützte er Molly und hörte nicht auf zu reden, nannte sie sein tapferes Mädchen, sein braves Mädchen, das bald ein wunderschönes Kind haben würde. Ich glaube nicht, daß einer von ihnen auf den Sinn der Worte achtete, allein der Tonfall war wichtig. Einmal stand er auf, um eine Decke zu holen, die er gefaltet neben sich auf den Boden legte. Ohne schamhaftes Getue schob er Mollys Nachthemd nach oben und sprach ihr weiter Mut zu, während sie sich krümmte und keuchend nach Atem rang. Ich konnte die wellenförmige Bewegung sehen, die über die Bauchdecke lief, dann stieß sie plötzlich einen hellen Schrei aus, und Burrich sagte: »Weiter, weiter, das wird, das wird, noch einmal, gut so, und wen haben wir denn da, wer ist das?«
    Dann hielt er das Kind vor sich. Die eine Hand stützte das Köpfchen, die andere den winzigen Körper, und Burrich saß plötzlich auf dem Boden und sah aus, als wäre das Wunder der Geburt für ihn gänzlich neu. Mein bruchstückhaftes Wissen, hie und da aufgeschnappt, hatte mich auf ein sich über Stunden hinziehendes Drama vorbereitet, aber nun war schon alles vorbei und kaum Blut an dem neuen Menschenwesen, das aus ruhigen blauen Augen zu Burrich aufschaute. Die graue, gedrehte Nabelschnur wirkte verglichen mit den winzigen Händen und Füßen übergroß und dick. Alles war still, bis auf Mollys schwere Atemzüge.
    Dann: »Ist er gesund?« fragte sie. Ihre Stimme schwankte. »Was hat er? Warum schreit er nicht?«
    »Sie ist gesund«, antwortete Burrich leise. »Sie ist vollkommen. Und so wunderhübsch, wie sie ist... Weshalb sollte sie weinen?« Er schwieg lange Zeit, versunken, selbstvergessen. Endlich legte er das Kind behutsam auf die Decke und breitete einen Zipfel darüber. »Wir beide, Mädchen, haben noch etwas Arbeit vor uns, bevor wir fertig sind«, sagte er betont barsch zu Molly.
    Doch es dauerte nicht lange, bis er Molly auf einen Stuhl am Feuer gesetzt hatte, eingehüllt in eine Decke, damit sie sich nicht erkältete. Nachdem er mit seinem Gürtelmesser die Nabelschnur durchtrennt hatte, wickelte er das Kind in ein sauberes Tuch und legte ihr das Bündel in die Arme. Molly wickelte es sofort wieder aus, und während Burrich aufräumte, untersuchte sie das kleine Wesen von Kopf bis Fuß, entzückte sich über das glatte schwarze Haar, die Fingerchen und Zehchen mit den perfekten Nägeln, die zarten Ohrmuscheln. Dann nahm Burrich das Kind und wandte sich ab, damit Molly ein frisches Nachthemd überziehen konnte. Er musterte das Kind mit einer Andacht, die er für seine Füllen und Welpen nicht gehabt hatte. »Du wirst Chivalrics Stirn haben«, sagte er leise zu dem kleinen Mädchen und streichelte mit einem Finger die rosige Wange. Sie neigte das Köpfchen der Berührung entgegen.
    Molly hatte sich wieder hingesetzt. Sie nahm das Kind und legte es an die Brust. Es dauerte eine Weile, bis die Kleine die Warze gefunden hatte und festhielt, und als sie anfing zu saugen, stieß Burrich einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Molly hatte nur Augen für ihr Töchterchen, aber ich sah, wie Burrich sich mit beiden Händen über Gesicht und Augen rieb und daß diese Hände zitterten. Er lächelte wie jemand, dem eine große Freude zuteil geworden ist.
    Molly schaute ihn an. Ihr Gesicht leuchtete. »Würdest du mir einen Becher Tee aufgießen?« fragte sie, und Burrich nickte eifrig.
    Es fehlten noch Stunden bis zum Morgen, als ich aus meinem Traum auftauchte und unmerklich ins Wachsein hinüberglitt. Erst nach einer Weile wurde mir bewußt, daß meine Augen offen waren und zum Mond hinaufstarrten. Unmöglich zu beschreiben, welche Gefühle in mir tobten. Doch meine Gedanken nahmen langsam Form an, und ich verstand die früheren Gabenträume, die ich von Burrich gehabt hatte. Natürlich. Ich hatte ihn durch Mollys Augen gesehen. Er war hier gewesen, die ganze Zeit, bei Molly, und hatte für sie gesorgt. Sie war die Freundin, zu der er gehen wollte, um ihr zu helfen, die Frau, die für einige Zeit den starken Arm eines Mannes gebrauchen konnte. Er hatte bei ihr sein dürfen, während ich mich ahnungslos nach ihr gesehnt hatte. Zorn wallte in mir auf, weil er nicht gekommen war, um mir zu sagen, daß sie mein Kind unter dem Herzen trug. Oder hatte er es versucht? Aus irgendeinem Grund war er damals noch

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