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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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waren offenbar entschlossen, jedes davon bis aufs I-Tüpfelchen zu beherrschen, bevor wir den Blauen See erreichten. Meistens übten sie nur die Gebärden der Puppen und die Dialoge, doch manchmal richteten sie alles her wie zu einer Aufführung, mit Fackeln, Bühne und Kulisse, und die Spieler kleideten sich in die reinweißen Gewänder, die ihre Unsichtbarkeit symbolisierten. Der Maestro war streng und rasch mit dem Riemen bei der Hand. Selbst der Geselle blieb nicht verschont. Ein einziger falsch betonter Vers, eine Bewegung einer geschnitzten Hand, die nicht den Anweisungen Maestro Dells entsprach, und er fuhr unter seine Leute und ließ den Riemen knallen. Auch wenn ich in der Stimmung für Gaukeleien gewesen wäre, das genügte, um mir den Spaß zu verderben. Deshalb ging ich meistens ein Stück abseits und setzte mich zu den Schafen, während die anderen sich am Puppenspiel ergötzten.
    Die Vagantin, eine ansehnliche Frau mit Namen Merle, leistete mir oft Gesellschaft, allerdings kaum, weil sie meine Nähe suchte, sondern weil sie draußen bei den Tieren ungestört ihre eigenen Lieder und ihr Harfenspiel üben konnte. Vielleicht lag es auch daran, daß ich ebenfalls aus den Marken stammte und verstehen konnte, was sie meinte, wenn sie von dem Kreischen der Möwen sprach und wie sich nach einem Sturm der Himmel blankgefegt und strahlend blau über dem Meer spannte. Sie war eine typische Frau aus den Marken, dunkelhaarig und mit dunklen Augen und nicht mehr als mittelgroß. Ihre schlichte Kleidung bestand aus blauen Hosen und einem Obergewand; sie hatte durchstochene Ohrläppchen, trug aber keinen Schmuck, auch nicht um den Hals oder an den Händen. Sie pflegte sich in einiger Entfernung von mir hinzusetzen, strich mit den Fingern über die Harfensaiten und sang. Es tat gut, wieder den heimatlichen Dialekt zu hören und die vertrauten Balladen der Küstenprovinzen. Manchmal redete sie mit mir. Es war keine Unterhaltung. Sie sprach in der Dunkelheit mit sich selbst, und ich befand mich zufällig in Hörweite. So erfuhr ich, daß sie zu den Spielleuten in einer kleinen Burg in den Bocksmarken gehört hatte; der Name sagte mir nichts, auch nicht der des Besitzers. Zu spät, um daran etwas zu ändern, Burg und Burgherr waren nicht mehr, von den Roten Korsaren überrannt und ausgetilgt. Merle war davongekommen, doch nun ohne Lohn und Brot. Deshalb hatte sie sich auf den Weg gemacht, um soweit landeinwärts zu wandern, bis sie nie wieder ein Schiff gleich welcher Farbe sehen mußte. Ich konnte sie verstehen. Durch ihr Fortgehen bewahrte sie die Marken in ihrer Erinnerung, unverändert, wie sie einmal gewesen waren.
    Der Tod hatte sie mit seinen Schwingen gestreift, und sie war fest entschlossen, nicht als das zu sterben, was sie war, eine kleine Vagantin für einen kleinen Edelmann. Nein, irgendwie würde sie sich einen Namen machen, Zeugin eines historischen Ereignisses sein und ein Epos darüber verfassen, das ihr Unsterblichkeit sicherte. Ich mußte denken, wenn das ihr Ziel war, hätte sie an der Küste bleiben sollen, wo der Krieg tobte, doch wie als Antwort auf meinen unausgesprochenen Einwand, erklärte sie, ihr sei daran gelegen, etwas nicht nur zu er-, sondern auch zu überleben. Außerdem, hatte man eine Schlacht gesehen, hatte man alle gesehen. Für sie hatte Blut nichts sonderlich Poetisches. Dazu nickte ich stumm.
    »Aha. Ich fand gleich, daß du mehr nach einem Soldaten aussiehst als nach einem Schafhirten. Beim Umgang mit Schafen handelt man sich keine gebrochene Nase ein oder eine solche Schmarre im Gesicht.«
    »Tut man doch, wenn man im Nebel nach einem verirrten Lamm sucht und eine Klippe hinunterfällt«, widersprach ich verdrossen und wandte das Gesicht ab.
    Immerhin war es ihr gelungen, mir eine Antwort abzuringen, und eine längere Unterhaltung führte ich in der nächsten Zeit mit niemandem.
    Wir setzten unseren Weg fort, so schnell beladene Fuhrwerke und eine Schafherde es erlaubten. Ein Tag war wie der andere. Auch die Landschaft, durch die wir zogen, blieb sich ständig gleich. Es gab wenig Abwechslung. Manchmal lagerten bereits andere Reisende an einer Wasserstelle, zu der wir kamen. Bei einer gab es eine Art Taverne. Dort hatte unsere Wegweise einige Fäßchen Branntwein auszuliefern. Einmal wurden wir einen halben Tag lang von Reitern verfolgt, bei denen es sich möglicherweise um Räuber handelte, doch am Nachmittag bogen sie von unserer Fährte ab, entweder weil sie ein anderes Ziel

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