Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
gesprossen und besaß eine Herberge, eine Schänke und sogar etliche Kaufmannsläden, alle auf die Bedürfnisse von Reisenden ausgerichtet. Um die Mittagsstunde trafen wir ein, und Madge verkündete, wir würden hier eine Rast einlegen und erst am nächsten Morgen weiterziehen. Niemand erhob ernsthafte Einwände. Nachdem wir die Tiere getränkt hatten, errichteten wir am Ortsrand unser Lager. Der Maestro faßte den Entschluß, den Aufenthalt zu seinem Vorteil zu nutzen und gab in der Schänke und im Wirtshaus bekannt, daß seine Truppe für die Bevölkerung eine Vorstellung zu geben gedächte, klingende Spenden gerne willkommen. Merle hatte bereits eine Ecke der Schänke zu ihrem Revier erkoren und machte diesen Ort in Farrow mit den Balladen der Marken bekannt.
    Ich zog es vor, draußen bei den Schafen zu bleiben. Bald war ich der einzige im Lager, aber das störte mich nicht. Die Besitzerin der Pferde hatte mir einen Groschen Lohn versprochen, wenn ich ein Auge auf die Tiere hatte. Es war kaum nötig. Eine Vorderbeinfessel hinderte sie am Weglaufen, und ohnehin zeigte keins der Tiere Neigung, einen Ort zu verlassen, an dem es Wasser und Weide gab. Der Bulle war ein Stück weiter weg angepflockt und nutzte ebenfalls den ihm gewährten Spielraum, um zu grasen. Es war friedlich, so ganz allein. Ich lernte, eine meditative Leere des Geistes zu kultivieren und konnte inzwischen lange Wegstrecken zurücklegen, ohne an etwas Bestimmtes zu denken. Dadurch wurde mein endloses Warten erträglicher. Auf der Deichsel von Dämons Karren sitzend, starrte ich über die Tiere hinweg auf die sanft gewellte, von Buschwerk unterbrochene Ebene hinter ihnen.
    Der Friede währte nicht lange. Am späten Nachmittag kam der Gauklerwagen ins Lager gerattert. Er brachte nur Maestro Dell und seinen jüngsten Lehrling, ein Mädchen. Die anderen waren im Dorf geblieben, um zu trinken und sich einen vergnügten Abend zu machen. Aus des Maestros Geschimpfe war leicht herauszuhören, daß das Mädchen ihm und seiner Truppe mit vergessenen Versen und falschen Bewegungen Schande gemacht hatte. Zur Strafe sollte sie im Lager bei dem Wagen bleiben, dazu kamen ein paar scharfe Hiebe mit dem Riemen. Sowohl das Klatschen des Leders als auch das Klagegeschrei des Mädchens waren durch das ganze Lager zu hören. Beim zweiten Hieb zuckte ich zusammen, beim dritten sprang ich auf. Ich muß zugeben, daß ich keine Vorstellung davon hatte, was ich tun sollte, und erleichtert war, den Maestro hinter dem Wagen hervor und zurück in den Ort gehen zu sehen. Bitterlich weinend, machte das Mädchen sich daran, die Pferde auszuschirren und anzupflocken. Ich hatte sie schon vorher flüchtig bemerkt. Sie war das jüngste Mitglied der Truppe, nicht älter als sechzehn, und bekam am häufigsten den Riemen zu spüren. Nicht, daß es ungewöhnlich gewesen wäre. Jeder Meister brauchte den Riemen, um seine Lehrlinge zur Arbeit zu ermuntern. Weder Burrich noch Chade hatten bei meiner Ausbildung zu diesem Mittel gegriffen; aber mir war mein gerüttelt Maß an Knüffen und Püffen zuteil geworden, und gelegentlich hatte mir Burrich mit einem Tritt auf die Sprünge geholfen. Der Maestro war nicht schlimmer als viele Meister, die ich gesehen hatte und fürsorglicher als manche. Seine Leute waren gut genährt und gut gekleidet. Ich nehme an, was mich an ihm störte, war seine Angewohnheit, sich nie mit einem Hieb zufriedenzugeben, Es mußten immer drei oder fünf sein oder mehr, wenn er schlechte Laune hatte.
    Meine innere Ruhe war dahin. Lange nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig war, zerriß das laute Schluchzen des Mädchens die Stille. Nach einer Weile konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich ging zum hinteren Ende des Gauklerwagens und klopfte an die kleine Tür. Mit einem Schnüffeln brach das Weinen ab. »Wer ist da?« fragte das Mädchen heiser.
    »Tom, der Schafhirte. Alles in Ordnung?«
    Ich hoffte, sie würde ›ja‹ sagen, und mich wegschicken; doch nach kaum einer Minute öffnete sich die Tür, und sie schaute zu mir hinaus. Blut tropfte von ihrem Kinn. Ich sah auf einen Blick, was geschehen war. Das Ende des Riemens hatte sich an ihrer Schulter vorbeigeringelt und ihre Wange geschmitzt. Bestimmt tat es weh, aber ich vermutete, das viele Blut machte ihr noch mehr angst. Hinter ihr sah ich auf einem Tisch einen Spiegel liegen und daneben einen blutigen Lappen. Einen Augenblick schauten wir uns wortlos an, dann stieß sie schluchzend hervor: »Er hat mein Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher