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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verständnisloser Bewunderung von der Hingabe ihrer Gefährten und deren Enthusiasmus, den sie nicht zu teilen vermochte. Ihre Stimme erstarb, und sie schaute mich mit einem Blick an, der alles ausdrückte, was sie mit Worten nicht sagen konnte. Sie brauchte mir nicht zu erklären, wie einsam sie sich fühlte. Anschließend kam sie auf Dinge des Alltags zu sprechen, die kleinen Ärgernisse, wie zum Beispiel Essen, das ihr nicht schmeckte, daß einer der anderen Lehrlinge immer nach altem Schweiß roch und daß eine Frau sie zu kneifen pflegte, um sie an ihren Einsatz zu erinnern.
    Selbst Tassins Klagen hörte ich gern zu. Sie lenkten mich von meinen ungleich größeren Probleme ab. In gewisser Weise war es wie das Zusammensein mit dem Wolf. Tassin lebte im Jetzt, im Augenblick, ohne sich über das Morgen und Übermorgen den Kopf zu zerbrechen. Meine Gedanken schweiften zu Nachtauge, und behutsam spürte ich zu ihm hin. Ich konnte ihn fühlen, irgendwo, lebendig, aber wenig mehr als das. Vielleicht trennte uns eine zu große Entfernung, vielleicht war er zu sehr von seinem neuen Leben in Anspruch genommen. Was immer der Grund sein mochte, sein Bewußtsein war mir nicht mehr so leicht zugänglich wie früher. Möglicherweise gewöhnte er sich einfach mehr und mehr daran, mit seinen Artgenossen zu kommunizieren. Ich versuchte mich zu freuen, daß er dieses ihm gemäße Leben gefunden hatte, inmitten von Seinesgleichen und vielleicht mit einer Gefährtin.
    »Woran denkst du?« fragte Tassin.
    Sie sprach so leise, daß ich antwortete wie im Traum, den Blick in die Flammen gerichtet. »Daß man sich manchmal doppelt einsam fühlt, wenn man weiß, daß es den Freunden und der Familie in der Ferne gutgeht.«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich versuche, nicht an sie zu denken. Bestimmt hat mein Freier ein anderes Mädchen gefunden, dessen Eltern bereit waren, auf den Brautpreis zu warten. Und meine Mutter... Ich nehme an, ohne mich ist es ihr besser ergangen. Sie war noch nicht sehr alt, bestimmt hat sie einen neuen Mann gefunden.« Tassin reckte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit; dann schaute sie mir offen ins Gesicht und fügte hinzu: »Es hat keinen Zweck, über Dinge nachzudenken, die weit weg sind und unerreichbar. Davon wird man nur unglücklich. Man muß zufrieden sein mit dem, was man haben kann.«
    Unsere Blicke trafen sich und tauchten ineinander. Was sie meinte, war unmißverständlich. Im ersten Augenblick war ich schockiert. Dann beugte sie sich vor und nahm sanft mein Gesicht in beide Hände. Sie schob mir das Tuch vom Kopf, grub die Finger in mein Haar und schaute mir tief in die Augen, während sie sich mit der Zungenspitze die Lippen benetzte. Gebannt wie die Maus vor der Schlange, ließ ich zu, daß ihre Hände an meinem Nacken hinunterglitten, auf meine Schultern, daß sie sich vorbeugte und mich küßte. Sie roch wie süß-würziger Weihrauch.
    Ich begehrte sie mit solcher Plötzlichkeit, daß mir schwindelig wurde. Nicht als Tassin, sondern als Frau voller Sanftheit und Wärme. Es war Lust, die mich durchströmte und doch etwas ganz anderes, ein Gefühl wie der Hunger nach der Gabe, der einen Mann auffrißt, Nähe fordert und vollkommene Gemeinschaft mit der Welt. Ich war des Alleinseins unaussprechlich müde.
    Tassin stieß einen überraschten Seufzer aus, als ich sie heftig umfaßte und an mich zog. Ich küßte sie, als könnte ich sie verschlingen und mich dadurch weniger einsam fühlen. Auf einmal lagen wir auf dem Boden, und sie gab kleine erregte Laute von sich, bis sie plötzlich anderen Sinnes zu werden schien und mir die flachen Hände gegen die Brust drückte. »Warte einen Augenblick«, zischte sie, »warte. Ich liege auf einem Stein, und ich will meine Kleider nicht verderben. Gib mir deinen Umhang...«
    Ich schaute ungeduldig zu, wie sie meinen Umhang neben dem Feuer ausbreitete, sich hinlegte und auf den Platz neben sich deutete. »Nun, magst du nicht zu mir kommen?« fragte sie kokett. Und mit kehliger Stimme; fügte sie hinzu: »Ich will dir zeigen, was ich alles für dich tun kann.« Sie strich mit den Händen über ihre Brüste und an ihrem Leib hinunter, damit ich mir vorstellen sollte, ich wäre es, der sie streichelte.
    Wenn sie geschwiegen hätte, wenn sie einfach nur von dem Umhang zu mir aufgeblickt hätte, aber ihre Frage und ihr Benehmen brachen den Bann. Die Illusion von Zärtlichkeit verflog. Dies hier ähnelte mehr der Herausforderung zu einem Kräftemessen im Stockfechten

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