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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Reittiere hatten sie die zwei besten Pferde, die je aus Bocksburger Zucht hervorgegangen sind. Ich wette, sie sind heil und gesund ins Bergreich gelangt, Junge. Rußflocke und Rötel lassen es sich wahrscheinlich inzwischen auf den Bergweiden wohl sein.«
    Ein zu schwacher Trost. In dieser Nacht ging ich hinaus, um mit dem Wolf zu jagen, und Burrich sagte nichts dazu. Aber wir konnten nicht weit genug laufen und nicht schnell genug, und das Blut, das wir in jener Nacht vergossen, war nicht das Blut, das ich fließen sehen wollte, auch vermochte das heiße rote Fleisch nicht die Leere in mir zu füllen.
     
    In dieser Weise erinnerte ich mich an mein Leben und daran, wer ich gewesen war. Während die Tage vergingen, knüpften Burrich und ich die Bande unserer Freundschaft neu. Er entsagte seiner Führerrolle, wenn auch nicht, ohne ironisch seinem Bedauern darüber Ausdruck zu verleihen. Wir erinnerten uns an früher, wie wir miteinander umgegangen waren; wie wir zusammen gelacht und wie wir gestritten hatten. Doch je mehr die Dinge zwischen uns ins Lot kamen und sich ein Gleichmaß einstellte, desto deutlicher fühlten wir uns beide an das erinnert, was unwiederbringlich dahin war.
    Es gab nicht genug zu tun für Burrich. Er war ein Mann, der die absolute Befehlsgewalt über die ausgedehnten Stallungen Bocksburgs innegehabt hatte und über sämtliche Rosse, Hunde und Falken darin. Ich beobachtete, wie er Arbeiten erfand, um die Stunden auszufüllen, und ich wußte, wie schmerzlich er die Tiere vermißte, die so lange seiner Obhut anvertraut gewesen waren. Ich vermißte die Geschäftigkeit und die Menschen in der Burg, doch am meisten fehlte mir Molly. In Gedanken führte ich erfundene Gespräche mit ihr, sammelte Mädesüß und Riedgras, weil der Duft mich an sie erinnerte, und nachts lag ich da und glaubte ihre streichelnde Hand auf meiner Wange zu spüren. Aber das waren nicht die Dinge, über die Burrich und ich sprachen; statt dessen legten wir zusammen, was uns geblieben war, um aus den Teilen ein Ganzes zu formen – mehr oder weniger. Burrich angelte, ich jagte, Häute mußten zugerichtet, Hemden gewaschen und geflickt und Wasser geholt werden. Es war ein Leben. Einmal versuchte Burrich davon zu erzählen, wie er die Narrenfreiheit des Betrunkenen ausgenutzt hatte, um in den Kerker zu gelangen und mir das Gift zu bringen. Seine Stimme klang brüchig, er knetete seine Hände, während er schilderte, was es ihn gekostet hatte, wegzugehen und mich in dieser Zelle zurückzulassen. Ich konnte nicht mit anhören, wie er sich quälte. »Gehen wir fischen«, schlug ich vor. Er atmete tief ein und nickte. Wir angelten und redeten nicht mehr viel an diesem Tag.
    Doch man hatte mich eingesperrt, hungern und dursten lassen und gefoltert. Von Zeit zu Zeit fühlte ich Burrichs Blick auf mir ruhen und wußte, er sah die Spuren in meinem Gesicht. Ich rasierte mich entlang der Narbe an meiner Wange und sah die weiße Strähne in meinem Haar, über der Stirn, wo mir bei einem Schlag die Kopfhaut aufgeplatzt war. Wir sprachen nicht darüber, und ich bemühte mich, nicht daran zu denken. Aber niemand wäre aus einer derartigen Prüfung unverändert hervorgegangen.
    Nachts quälten mich Träume. Kurze, wirklich erscheinende Träume, erstarrte Augenblicke des Alleinseins, gleißender Schmerzen, hilfloser Angst. Ich erwachte in kalten Schweiß gebadet, Übelkeit wie einen Stein im Magen. Nichts blieb von diesen Träumen, wenn ich im Dunkeln auf meinem Deckenlager saß, nicht der geringste Anhaltspunkt, der helfen konnte, sie zu deuten. Nur der Schmerz, die Angst, die Wut, die Hilflosigkeit. Doch schlimmer als alles andere war die Angst. Die übermächtige Angst, so stark, daß ich zitterte und nach Atem rang, meine Augen brannten und mir bittere Galle in den Mund stieg.
    Zu Anfang, als ich zum erstenmal mit einem wortlosen Schrei in die Höhe fuhr, sprang Burrich von seiner Bettstatt, legte mir die Hand auf die Schulter und fragte, was mir fehlte. Ich stieß ihn zurück gegen den Tisch, der beinahe umgestürzt wäre. Angst und Zorn steigerten sich zu einem Ausbruch unbeherrschter Rage, der mich soweit brachte, daß ich Burrich einfach deswegen getötet hätte, weil er in Reichweite war. In diesem Augenblick erfüllte mich eine derartige Abscheu vor mir selbst, daß ich nur den Wunsch hatte, alles zu vernichten, das ich war oder das mich berührte. Ich rammte der gesamten Welt meinen Haß und Selbsthaß entgegen und hob damit fast

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