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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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drängte er mich weiter. Er gab mir den Wunsch ein, daraus zu trinken. Wie warm sich der Schnaps in meinem Bauch anfühlte. Schnell hinunter damit, und der Geschmack bleibt nicht lange, dafür aber die warme, wohlige Glut in meinem Bauch.
    Ich merkte, was er vorhatte. Ich wurde zornig.
    Nur noch einen kleinen Schluck. Ein Wispern. Damit du zur Ruhe kommst, Fitz. Das Feuer ist warm. Du hast zu essen gehabt. Burrich wird dich beschützen, und auch Chade ist da. Du mußt nicht ständig auf der Hut sein. Nur noch einen Schluck. Einen winzigen Schluck.
    Nein.
    Nur einmal nippen, um die Lippen zu benetzen.
    Ich tat es, damit er aufhörte, mich zu quälen. Doch er hörte nicht auf, deshalb nippte ich wieder. Ich nahm einen großen Schluck und spürte, wie er brennend durch meine Kehle lief. Es wurde schwerer und schwerer, seinem Drängen zu widerstehen. Er zermürbte meinen Willen. Und Burrich sorgte dafür, daß mein Becher nicht leer wurde.
    Fitz, sag: »Veritas lebt.« Das ist alles. Sag nur das.
    Nein.
    Fühlt sich der Branntwein in deinem Magen nicht gut an? So warm. Trink noch einmal.
    »Ich weiß, was du willst. Du willst mich betrunken machen. Damit ich dir gehorche. Aber den Gefallen tue ich dir nicht.« Mein Gesicht war naß.
    Burrich und Chade musterten mich. »Er war früher nie einer von den wehseligen Trinkern«, bemerkte Burrich. »Wenigstens nicht in meiner Gegenwart.« Das schienen sie interessant zu finden.
    Sag es. Sag: »Veritas lebt«, dann lasse ich dich in Ruhe. Du hast mein Wort. Nur sag es. Ein einziges Mal. Und wenn du es nur flüsterst. Sag es. Sag es.
    Ich schaute auf die Tischplatte. Sehr leise sagte ich: »Veritas lebt.«
    »Oh?« Burrich beugte sich zu schnell vor, um mir noch einmal einzuschenken. Die Flasche war leer. Er gab mir etwas aus seinem eigenen Becher.
    Plötzlich wollte ich den Schnaps. Wollte ihn für mich selbst. Ich nahm den Becher und leerte ihn bis zur Nagelprobe, dann stand ich auf. »Veritas lebt«, wiederholte ich. »Er friert, aber er ist am Leben. Und das ist alles, was ich zu sagen habe.« Ich schritt zur Tür, hob den Riegel und ging hinaus in die Nacht. Sie versuchten nicht, mich aufzuhalten.
     
    Burrich hatte recht. Alles war da, wie ein Lied, das einem, zu oft gehört, nicht mehr aus dem Sinn geht. Es lief als roter Faden durch all meine Gedanken und formte meine Träume. Es drängte sich in den Vordergrund meines Bewußtseins und ließ mir keinen Frieden. Aus Frühling wurde Sommer. Alte Erinnerungen fingen an, die neuen zu überlagern. Meine beiden Leben begannen sich miteinander zu verflechten. Es gab Lücken und Unebenheiten an den Verbindungsstellen, doch es wurde schwerer und schwerer, Dinge nicht zu wissen. Namen hatten wieder Bedeutung, beschworen ein Gesicht herauf. Philia, Lacey, Zelerita und Rußflocke waren nicht mehr einfach nur Worte, sondern hallten wie Glocken wider von Erinnerungen und Gefühlen. »Molly«, sagte ich schließlich eines Tages laut vor mich hin. Burrich hob ruckartig den Kopf und ließ fast die aus Darm gezwirnte Schlinge los, an der er arbeitete. Ich hörte ihn Luft holen, als wolle er etwas sagen, doch er schluckte es herunter und wartete, ob von mir noch etwas kam. Aber ich schwieg, schloß die Augen, barg das Gesicht in den Händen und sehnte mich nach Vergessen.
    Oft und lange stand ich am Fenster und blickte über die Wiesen. Es gab nichts zu sehen, aber Burrich schalt mich weder, noch scheuchte er mich zurück an meine Arbeit, wie er es früher getan haben würde. Eines Tages, als ich auf das fette Weideland hinausschaute, fragte ich Burrich: »Was tun wir, wenn die Schafherden kommen? Wo werden wir dann unterschlüpfen?«
    »Denk nach.« Er hatte ein Kaninchenfell am Boden ausgespannt und schabte Fleisch und Fett von der Haut. »Sie werden nicht kommen. Es gibt keine Herden mehr, die man auf die Sommerweide treibt. Das beste Vieh ist mit Edel landeinwärts gegangen. Er hat Bocksburg von allem entblößt, das sich wegschaffen ließ, auf welche Art auch immer. Ich möchte wetten, daß sämtliche Schafe, die er in Bocksburg zurückgelassen hat, im Laufe des Winters in den Kochtopf gewandert sind.«
    »Wahrscheinlich«, stimmte ich zu. Und dann drängte sich etwas in mein Bewußtsein, schrecklicher als all die Dinge, von denen ich wußte, daß ich mich nicht an sie erinnern wollte. Es war die Flut der Dinge, die ich nicht wußte, die Flut der Fragen, die unbeantwortet geblieben waren. Ich unternahm einen langen Spaziergang, um

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