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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Madge. »Ich dachte, er wäre hingerichtet worden, weil er mit seiner Zaubermacht König Listenreich getötet hat.«
    »So heißt es«, erwiderte Merle. »Die Wahrheit ist, er starb in seiner Zelle, bevor man ihn hinrichten konnte, und wurde begraben, nicht verbrannt. Seither geht das Gerücht«, hier senkte sie die Stimme zu einem Flüstern, »als der Frühling kam, wuchs nicht ein grüner Halm auf seinem Grab, und eine alte weise Frau, die davon hörte, wußte gleich, daß die Alte Macht noch in seinen Gebeinen schlummert, um auf den überzugehen, der es wagt, ihm einen Zahn aus dem Mund zu ziehen. Deshalb ging sie bei Vollmond zu dem Platz, wo er begraben lag, begleitet von einem Knecht mit einer Schaufel. Er mußte auf ihre Weisung hin das Grab öffnen; doch fast schon beim ersten Spatenstich brachte er Splitter vom Sarg des Bastards nach oben.«
    Merle legte eine Kunstpause ein. Kein Laut war zu hören, außer dem Knistern des Feuers.
    »Natürlich war der Sarg leer, von innen aufgebrochen, nicht von außen. Einer, der dabei war, hat mir berichtet, an einer Ecke des zersplitterten Sargdeckels hätte man ein Büschel vom Fell eines grauen Wolfs gefunden.«
    Keiner schien das Schweigen brechen zu wollen, das ihren Worten folgte, bis Madge schließlich fragte: »Wirklich wahr?«
    Merle strich mit den Fingern leicht über die Harfensaiten. »So erzählt man es sich in den Marken. Aber ich habe auch die Lady Philia – sie war es, die ihn begraben hat – sagen hören, alles Unfug. Sein Leib wäre kalt und steif gewesen, als sie ihn gewaschen und in ein Leichentuch wickelt hatte. Und von dem Narbenmann, den König Edel so fürchtet, behauptet sie, er sei nichts weiter als ein ehemaliger Ratgeber König Listenreichs, ein alter Sonderling mit narbigem Gesicht, der seine Zurückgezogenheit aufgegeben habe, um den Glauben daran wachzuhalten, daß König Veritas noch lebt, und denen Mut einzuflößen, die ausziehen müssen, um gegen die Roten Korsaren zu kämpfen. Da habt ihr’s. Jeder kann sich aussuchen, was er glauben möchte.«
    Harmonie, eine der Gauklerinnen, schüttelte sich übertrieben. »Brrr. Keine Schauergeschichten mehr vor dem Zubettgehen. Sing uns lieber etwas Fröhliches, damit wir ruhig schlafen können.«
    Bereitwillig begann Merle mit einem Liebeslied, einer volkstümlichen Ballade mit schwungvollem Refrain, in den Madge und Harmonie einfielen. Ich lag in der Dunkelheit und überdachte das Gehörte. Dabei war ich mir mit einem Gefühl des Unbehagens bewußt, daß Merle für meine Ohren die Rede auf Chivalrics Bastard gebracht hatte. Glaubte sie, mir damit einen Gefallen zu tun, oder wollte sie nur sehen, ob einer der anderen einen Verdacht gegen mich hegte? Einhundert Goldkurante auf meinen Kopf. Die Summe konnte einem Herzog den Mund wäßrig machen, geschweige denn einer fahrenden Vagantin. Trotz meiner Müdigkeit dauerte es lange, bis ich einschlief.
    Der nächste Reisetag war beinahe erholsam in seiner Ereignislosigkeit. Ich ging hinter meinen Schafen her und versuchte, an gar nichts zu denken. Es fiel mir nicht so leicht wie früher. Wann immer es mir gelang, meine Sorgen in den Hintergrund meines Bewußtseins zu verbannen, hörte ich Veritas’ Ruf Komm zu mir in meinem Kopf widerhallen. Unser Lagerplatz an diesem Abend befand sich am Rand eines riesigen, trichterförmigen Ponors, in dessen Mitte Wasser stand. Die Unterhaltung am Feuer war einsilbig. Ich glaube, wir waren einer wie der andere der ermüdenden Reise überdrüssig und sehnten uns danach, die Ufer des Blauen Sees in der Ferne auftauchen zu sehen. Liebend gerne hätte ich mich schlafen gelegt, aber nach dem Turnus fiel die erste Wache bei der Herde auf mich.
    Ich klomm ein Stück den Abhang hinauf, wo ich mich hinsetzen und auf meine wolligen Schützlinge hinunterschauen konnte. Der große Erdtrichter barg unseren gesamten Treck in seinem Rund, und das kleine Kochfeuer am Rand des Wassers blinzelte wie ein Stern am Grund eines Brunnens. Draußen mochte der Wind über die Steppe wehen, aber hier war alles still. Kein Lüftchen regte sich. Es war beinahe idyllisch.
    Tassin glaubte wahrscheinlich, es sehr klug anzustellen. Ich sah sie verstohlen vom Lager herüberkommen, in den Umhang gehüllt und die Kapuze über den Kopf und vors Gesicht gezogen. Sie schlug einen weiten Bogen, als wollte sie mich umgehen. Ich folgte ihr nicht mit den Augen, sondern horchte auf ihre Schritte, als sie höher hinaufstieg und sich dann von oben her meinem

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