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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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persönlichen Triumph zu empfinden, daß Merles Lieder bei den Dörflern solchen Anklang gefunden hatten. »Wirklich gut, muß man sagen, auch wenn du nichts anderes zu kennen scheinst als diese Balladen aus den Marken«, gab sogar Creece gönnerhaft zu. Merle nickte zu dem fragwürdigen Lob.
    Wie jeden Abend nahm sie nach dem Essen ihre Harfe aus der Umhüllung. Maestro Dell verzichtete ausnahmsweise auf die unvermeidlichen Proben, woraus ich schloß, daß er mit seiner Truppe zufrieden gewesen war, bis auf Tassin. Sie gönnte mir keinen Blick, sondern hatte sich zu einem der Fuhrmänner gesetzt und himmelte ihn an. Von der Verletzung in ihrem Gesicht war nur noch ein dünner roter Strich zu sehen, umgeben von einer leichten Schwellung. Sie würde gut heilen.
    Creece ging, um bei unserer Herde Nachtwache zu halten. Ich streckte mich außerhalb der Reichweite des Feuerscheins auf meinem Umhang aus, in der Absicht, so schnell und ausgiebig wie möglich den versäumten Schlaf nachzuholen. Eingedenk der Ausschweifungen der letzten Nacht rechnete ich damit, daß auch die anderen sich bald zur Ruhe begeben würden. Das Murmeln ihrer Unterhaltung wirkte einlullend, wie auch das sachte Klingen der Harfe unter dem trägen Strich von Merles Fingerspitzen. Allmählich entwickelte sich daraus eine rhythmische Melodie, und sie begann zu singen.
    Die Worte ›Turm der Geweihinsel‹ rissen mich von der Schwelle des Schlafs zurück. Schlagartig war ich hellwach. Sie sang von der Schlacht, die im letzten Sommer dort stattgefunden hatte, das erste ernsthafte Zusammentreffen der Rurisk mit den Roten Korsaren. Ich erinnerte mich nur verschwommen an das Gefecht und gleichzeitig viel zu genau. Wie Veritas mehr als einmal festgestellt hatte, neigte ich dazu, im Kampf alles zu vergessen, was Meisterin Hod mir beigebracht hatte, und blindlings um mich zu schlagen. Deshalb war ich mit einer Axt bewaffnet in diese Schlacht gezogen und hatte sie mit einer Wildheit gebraucht, wie ich sie nie bei mir vermutet hätte. Hinterher sagte man, ich hätte den Anführer der Piraten getötet. Ich hatte nie herausgefunden, ob es stimmte.
    Merles Preislied ließ keinen Zweifel daran, daß es so gewesen war. Mir stand fast das Herz still, als ich sie von ›Chivalrics Sohn‹ singen hörte, ›mit Augen wie Feuersglut / nicht seines Namens, doch von seinem Blut...‹ Weiter ging es mit einem Dutzend wortreich geschilderter Hiebe, die ich ausgeteilt hatte, um ebenso viele Feinde zu fällen. Es war seltsam ernüchternd, hören zu müssen, wie diese Taten als edel und nun fast legendär verherrlicht wurden.
    Ich wußte, es gab viele Kriegsmänner, die davon träumten, man möge ihren Namen in Liedern preisen. Mir war es unangenehm. Ich erinnerte mich nicht daran, daß die Klinge meiner Axt in der Sonne gefunkelt hätte wie Gold oder daß ich so tapfer gekämpft hätte wie der Bock auf meiner Brust. Mir hatte sich der süßliche Geruch von Blut eingeprägt und wie ich auf die Gedärme eines Mannes getreten war, eines Sterbenden, der noch zuckte und stöhnte. Alles Bier in Bocksburg hatte mir in jener Nacht nicht geholfen, mich in einen Abgrund des Vergessens zu trinken.
    Als das Lied glücklich zu Ende war, holte einer der Fuhrmänner schnaufend Luft. »Das hast du dich also gestern nacht in der Schänke nicht zu singen getraut?«
    Merle stieß ein geringschätziges Lachen aus. »Meine innere Stimme sagte mir, daß ich damit keine Beifallsstürme auslösen würde. Mit Liedern über Chivalrics Bastard ist dort kein Groschen zu verdienen.«
    »Ich finde es seltsam«, bemerkte Dell nachdenklich. »Auf der einen Seite haben wir hier unseren König, der einen Preis auf seinen Kopf aussetzt, und seine Soldaten erzählen uns, seid auf der Hut, der Bastard besitzt die Alte Macht und hat mit ihrer Hilfe dem Tod ein Schnippchen geschlagen. Aber dein Lied schildert ihn als eine Art Held.«
    »Nun, es ist ein Lied aus den Marken, und dort stand er in Ansehen, wenigstens eine Zeitlang«, erklärte Merle.
    »Aber jetzt nicht mehr, wette ich. Außer wegen der hundert Goldkurante, die man bekommt, wenn man ihn der Garde des Königs ausliefert«, meinte der zweite Fuhrmann.
    »Wahrscheinlich«, stimmte Merle leichthin zu. »Obwohl es in den Marken immer noch einige Leute gibt, die behaupten, daß man nicht seine ganze Geschichte kennt, und der Bastard wäre nicht das Ungeheuer gewesen, als das man ihn neuerdings hinstellt.«
    »Mir ist das alles ein Rätsel«, beklagte sich

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