Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
zusammengebissenen Zähnen ihr ruppiges Striegeln ertrug.
    »Was schlägst du vor?« erkundigte ich mich, doch schon sah ich aus den Augenwinkeln dicke Strähnen zu Boden fallen. Was immer sie entschieden hatte, wurde ruckzuck in die Tat umgesetzt. Sie strich eine Partie Haare nach vorn in mein Gesicht und schnitt es über den Augenbrauen in einer geraden Linie ab. Anschließend zog sie einige Male den Kamm durch die übrige Mähne, um sie dann auf Kinnlänge zurückzustutzen. »Wunderbar«, lobte sie, »jetzt siehst du ein bißchen mehr nach Farrow aus. Vorher konnte man dir deine Herkunft aus den Marken auf eine Meile Entfernung ansehen. Solange du nicht den Mund aufmachst, werden die Leute nicht genau wissen, woher du kommst.« Sie überlegte einen Augenblick, dann machte sie sich noch einmal an meinem Stirnhaar zu schaffen. Endlich legte sie die Schere beiseite und reichte mir einen Spiegel. »Die weiße Strähne wird jetzt viel weniger auffallen.«
    Sie hatte recht. Sehr geschickt hatte sie das Weiß ausgedünnt und das Haar am Scheitel so gestuft, daß es die lichteren Stellen verdeckte. Der Bart war in Form gebracht und folgte den Konturen meiner Kieferpartie. Ich überwand mich zu einem anerkennenden Kopfnicken. Es klopfte an der Tür. »Stell es draußen hin«, rief Merle. Sie wartete einen Augenblick, dann holte sie ihr Frühstück herein und den Krug mit heißem Wasser. Während sie ihre Morgentoilette erledigte und frühstückte, schärfte ich, ihrer Aufforderung folgend, mein Messer und überlegte, ob ich mich von ihrer selbstherrlichen Ummodelung meiner Person geschmeichelt fühlen sollte oder gekränkt. Langsam erinnerte sie mich an Philia. Noch kauend, kam sie herbei und nahm mir das Messer aus der Hand. Sie schluckte den Bissen in ihrem Mund herunter und sagte:
    »Ich werde deinem Bart noch den letzten Schliff geben. In Zukunft mußt du dich selbst darum kümmern. Ich denke nicht daran, dich jeden Tag zu rasieren. Jetzt nimm das feuchte Tuch für dein Gesicht.«
    Angesichts der blinkenden Messerklinge empfand ich ein noch erheblich größeres Unbehagen, besonders als sie damit in der Nähe meiner Gurgel hantierte; doch als ich anschließend im Spiegel ihr Werk begutachtete, war ich überrascht von der Veränderung. Der Bart verlieh meinem Gesicht schärfere Konturen und ließ mich älter wirken. Die Narbe an meiner Wange hatte Merle nicht unsichtbar machen können, aber sie folgte dem Verlauf meines Schnurrbarts und fiel kaum auf. Ich strich leicht mit der Hand über Wangen und Kinn, froh, von dem Wust an Haaren befreit zu sein. »Eine enorme Verwandlung«, meinte ich.
    »Eine enorme Verbesserung«, bekräftigte sie. »Ich bezweifle, daß Creece oder Dell dich jetzt erkennen würden. Vorläufig müssen wir das hier loswerden.« Sie sammelte die abgeschnittenen Haare auf, warf sie aus dem Fenster und klopfte sich die Hände ab.
    »Ich danke dir«, sagte ich hölzern.
    »Keine Ursache.« Sie ließ den Blick durch die Kammer wandern und stieß einen kleinen Seufzer aus. »Ich werde dieses Bett vermissen.« Dann machte sie sich mit rascher Gründlichkeit ans Packen. Sie merkte, daß ich sie beobachtete und grinste. »Als Vagantin und ständig unterwegs, lernt man bald, seine Siebensachen immer griffbereit zu haben.« Sie warf die letzten Kleinigkeiten hinein, schnürte das Bündel zusammen und schwang es über die Schulter. »Warte am Fuß der Hintertreppe auf mich«, befahl sie. »Derweil bezahle ich meine Rechnung.«
    Ich befolgte ihre Anweisung, mußte aber erheblich länger als gedacht in Kälte und Wind ausharren. Endlich erschien sie mit rosigen Wangen und bereit, sich dem Tag zu stellen. »Es kann losgehen. Diese Richtung.«
    Unwillkürlich hatte ich damit gerechnet, auf sie Rücksicht nehmen zu müssen, doch wir fielen bald wie von selbst in einen mühelosen Gleichschritt. Auf dem Weg vom Kaufmannsviertel zum nördlichen Stadtrand, fühlte ich immer wieder ihren Blick auf mir. »Du siehst heute anders aus«, meinte sie. »Und es ist nicht allein der Haarschnitt. Du hast irgendeinen Entschluß gefaßt.«
    »Das stimmt.«
    »Gut.« Sie hakte sich kameradschaftlich bei mir ein. »Ich hoffe, du hast dich entschlossen, mir zu vertrauen.«
    Ich schaute sie an, ohne etwas zu sagen. Sie lachte, aber meinen Arm ließ sie nicht los.
    Die Plankengehsteige des Kaufmannsviertels endeten, als wir in Gassen einbogen, wo schmalbrüstige Häuser sich wie schutzsuchend aneinanderschmiegten. Am Stadtrand mündete

Weitere Kostenlose Bücher