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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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geben. Während die Vormittagsstunden sich dahinschleppten, ertappte ich zweimal den Schankburschen dabei, wie er mich seltsam musterte. Beim dritten Mal erwiderte ich seinen Blick, bis er rot wurde und sich abwandte. Sein Interesse war verständlich. Ich hatte die Nacht in Merles Kammer verbracht, und zweifellos fragte er sich, was sie veranlassen mochte, mit einem abgerissenen Herumtreiber wie mir das Quartier zu teilen. Dennoch fühlte ich mich beobachtet. Der Vormittag war mittlerweile halb herum. Ich beschloß, daß ich lange genug gewartet hatte, stand auf und stieg nach oben.
    Vor Merles Kammer angekommen, klopfte ich leise und wartete. Doch erst nach erneutem, lauterem Klopfen vernahm ich eine schläfrige Antwort. Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und Merle winkte mich gähnend herein. Sie trug nur ihre Hose und ein viel zu großes Hemd, das lockige Haar stand ihr zerzaust um den Kopf. Auf der Bettkante sitzend, blinzelte sie verschlafen, während ich die Tür hinter mir schloß und verriegelte. »Oh, du hast ein Bad genommen«, äußerte sie statt eines Morgengrußes und gähnte wieder.
    »Ist das so deutlich zu merken?« fragte ich beleidigt.
    Sie nickte ungerührt. »Ich bin einmal wach geworden und dachte erst, du hättest dich davongemacht. Aber ich wußte ja, daß du ohne mich nichts erreichen konntest, deshalb habe ich mich noch einmal umgedreht und weitergeschlafen.« Sie rieb sich die Augen, dann unterzog sie mich einer genaueren Musterung. »Was ist deinem Bart für ein Unglück zugestoßen?«
    »Ich wollte ihn stutzen, doch es ist nichts daraus geworden.«
    Sie nickte beifällig. »Aber es war ein guter Einfall. Du würdest weniger verwildert aussehen. Und Creece oder Tassin oder sonst jemand aus dem Treck würde dich nicht auf den ersten Blick wiedererkennen. Gut, gut. Ich werde dir helfen. Setz dich auf den Stuhl. Nein, erst mach die Fensterläden auf, damit wir Licht haben.«
    Ich tat, was sie sagte, wenn auch ohne rechte Begeisterung. Derweil stand sie auf, reckte sich wie eine Katze und spritzte sich ein, zwei Handvoll Wasser ins Gesicht. Anschließend brachte sie mit geübten Griffen ihr eigenes Haar zur Räson, steckte es mit Kämmen fest, bändigte mit einem Gürtel das weite Hemd, schlüpfte in die Stiefel und schnürte sie zu. In erstaunlich kurzer Zeit sah sie vorzeigbar aus. Sie kam zu mir, umfaßte mit einer Hand mein Kinn und drehte ohne jede Scheu mein Gesicht hin und her. Ich besaß nicht ihre Nonchalance.
    »Wirst du immer so leicht rot?« fragte sie mich mit einem Lachen. »Das gibt es selten – ein Mann aus den Marken, bei dem man sehen kann, wie ihm das Blut in die Wangen steigt. Deine Mutter muß helle Haut gehabt haben.«
    Darauf wußte ich nichts zu sagen, deshalb saß ich schweigend da, während sie in ihrem Gepäck kramte und endlich eine kleine Schere zutage förderte, mit der sie sich flink und energisch ans Werk machte. »Ich habe früher meinen Brüdern die Haare geschnitten«, erzählte sie munter, »und meinem Vater das Haar und den Bart, nachdem meine Mutter gestorben war. Du hast ein gut geformtes Kinn unter all diesem Gestrüpp. Was hast du damit gemacht? Es einfach wachsen lassen, wie es wollte?«
    »Mehr oder weniger«, antwortete ich nervös. Die Schere blitzte dicht unter meiner Nase. Merle hielt inne und wischte über mein Gesicht. Schwarzes, krauses Haar fiel büschelweise zu Boden. »Ich will nicht, daß man meine Narbe sieht«, wagte ich einzuwenden.
    »Wird man nicht«, beruhigte sie mich sachkundig. »Aber du wirst Lippen und einen Mund haben, statt eines Schlitzes in deinem Barturwald. Das Kinn anheben. So. Hast du ein Rasiermesser?«
    »Nur das Messer an meinem Gürtel.« Mir war alles andere als wohl in meiner Haut.
    »Dann müssen wir uns damit behelfen«, meinte sie wohlgemut. Sie ging zur Tür, riß sie auf und bellte mit der Kraft ihrer geschulten Lungen die Treppe hinunter, man solle heißes Wasser bringen. Und Tee. Und Brot mit gebratenem Speck. Der Knall, mit dem die Tür ins Schloß flog, wurde in der Küche unten vermutlich als Ausrufungszeichen gedeutet. Merle drehte sich voller Tatendrang herum, legte den Kopf zur Seite und musterte mich kritisch. »Wenn wir schon dabei sind, schneiden wir auch dein Haar. Laß sehen.«
    Ich war ihr zu langsam. Sie trat hinter mich, zog mir das Tuch vom Kopf, befreite mein Haar von dem Lederband und griff nach ihrem Kamm. »Schau’n wir mal«, murmelte sie vor sich hin, während ich mit

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