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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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er sich fast nach Belieben über die Regeln von Sitte und Moral hinwegsetzen. Weil sie in gewisser Weise auch Chronisten sind, ist es ihnen gestattet, die neugierigsten Fragen zu stellen. So gut wie ohne Ausnahme kann ein Vagant überall, wo er hinkommt, Gastfreundschaft erwarten, von des Königs eigener Tafel bis zur ärmlichsten Kate. Sie heiraten meist spät im Leben, was nicht ausschließt, daß sie schon vorher Kinder haben. Diese Kinder sind frei von dem Stigma anderer Bastarde und wachsen oft in adligen Häusern auf, um später selbst zu Vaganten herangebildet zu werden. Man erwartet von fahrenden Spielleuten, daß sie mit Gesetzlosen und Rebellen Umgang haben, ebenso wie mit Aristokraten und Kaufleuten. Sie überbringen Botschaften, verbreiten Neuigkeiten und bewahren in ihrem Gedächtnis viele Verträge und Vereinbarungen. So verhält es sich wenigstens in Zeiten des Friedens und des Überflusses.
     
    Merle kehrte zu einer Stunde zurück, die Burrich als frühen Morgen bezeichnet hätte. Ich erwachte, als sie die Klinke herunterdrückte, sprang vom Bett und wickelte mich auf dem Fußboden in meinen Umhang, um weiterzuschlafen. »FitzChivalric«, grüßte sie mich beim Hereinkommen mit schwerer Zunge, und ich roch den Wein in ihrem Atem. Sie nahm ihren Umhang ab, musterte mich nachdenklich und breitete ihn dann als zusätzlichen Wärmespender über mir aus. Ich schloß die Augen. Ohne sich an meiner Gegenwart zu stören, ließ sie hinter mir ihre Oberkleidung zu Boden fallen, und dann hörte ich das Bett knarren, als sie sich darauf ausstreckte. »Oh, vorgewärmt«, murmelte sie und wühlte sich tiefer in Kissen und Decken. »Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, dich aus dem warmen Nest zu vertreiben.«
    Ihre Gewissensbisse schienen sich allerdings in Grenzen zu halten, weil nach wenigen Augenblicken ihre tiefen und gleichmäßigen Atemzüge verrieten, daß sie eingeschlafen war. Ich folgte ihrem Beispiel.
    In der Morgendämmerung erwachte ich und verließ das Gasthaus. Merle rührte sich nicht, als ich die Tür öffnete und aus der Kammer ging. Draußen wanderte ich durch die Gassen, bis ich ein Badehaus fand, das schon geöffnet war. Ich mußte warten, bis das erste Wasser des Tages heiß war. Schließlich zog ich mich aus und stieg vorsichtig in den tiefen, dampfenden Bottich. Nachdem ich mich gewaschen hatte, lehnte ich mich zurück und überließ mich meinen Gedanken.
    Daß ich mich mit Schmugglern einlassen sollte, gefiel mir nicht. Und es gefiel mir auch nicht, mich mit Merle zusammenzutun. Aber hatte ich eine Wahl? Womit sollte ich die Schmuggler bezahlen? Meine magere Barschaft würde kaum ausreichen. Burrichs Ohrring? Unter keinen Umständen. Geraume Zeit lag ich bis zum Kinn im Wasser und weigerte mich, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Komm zu mir. Ich würde einen anderen Weg finden, gelobte ich mir. Einen Weg zu Veritas, der mich gerettet hatte, als es für mich in Fierant um Leben und Tod ging. Der in einer Eruption der Gabe seine gesamten Kraftreserven verausgabt hatte, um mir zu helfen. Ich wußte nicht, in welcher Lage er sich befand; doch er hatte nicht gezögert, rückhaltlos alles zu geben, um mich aus den Fängen von Will und seiner Kordiale zu befreien. Und wenn ich zwischen Burrichs Ohrring und Veritas wählen mußte, würde ich mich für Veritas entscheiden. Nicht, weil er mich mit der Gabe rief. Auch nicht, um dem Schwur treu zu bleiben, den ich seinem Vater geleistet hatte, sondern einzig und allein seinetwegen.
    Ich stand auf und ließ das Wasser von mir ablaufen. Dann trocknete ich mich ab, scheiterte bei dem Versuch, meinen Bart zu stutzen, und ging zurück zum Eberkopf. Auf dem Weg dorthin kam es zu einer Begegnung, die verhängnisvoll hätte werden können. Ein Wagen fuhr an mir vorbei, und wem gehörte er, wenn nicht Maestro Dell, dem Puppenspieler. Ich ging schnellen Schrittes weiter, und der junge Geselle auf dem Bock ließ durch nichts erkennen, daß er mich bemerkt hatte. Trotzdem war ich froh, als sich die Tür des Gasthauses hinter mir schloß.
    Ich setzte mich an einen Tisch in der Ecke neben dem Kamin und ließ mir von Leitgeb eine Kanne Tee und einen Laib Morgenbrot bringen. Letzteres erwies sich als eine Spezialität Farrows mit eingebackenen Körnern, Nüssen und Fruchtstücken. Ich aß langsam und wartete darauf, daß Merle herunterkam. Einerseits wollte ich endlich die Schmuggler kennenlernen, aber andererseits hatte ich Bedenken, mich in Merles Hand zu

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