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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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es tanzen machte. Nachtauge umkreiste mich wie ein Hütehund ein verirrtes Schaf. Von Zeit zu Zeit quiemte er angstvoll. Sein straff gespannter Körper verriet Furcht und Erschöpfung. Er witterte Holzrauch und Ziegen... nicht, um dich zu verraten, mein Bruder, um dir zu helfen. Vergiß das nicht. Du brauchst jemanden mit Händen. Aber wenn sie versuchen, dir ein Leid zu tun, brauchst du nur rufen, und ich werde kommen. Ich bleibe in der Nähe...
    Seine Gedanken trieben durch meinen Kopf wie Herbstblätter auf einem Teich. Ich spürte seine Verbitterung darüber, daß er nicht fähig war, mir zu helfen, und seine Angst, mich womöglich in eine Falle zu führen. Mir war, als hätten wir uns gestritten, doch ich konnte mich nicht erinnern, welches mein Gegenvorschlag gewesen war. Auf jeden Fall hatte Nachtauge die Oberhand gewonnen, einfach, weil er wußte, was er wollte. Auf dem festgetretenen Schnee des Pfades glitt ich aus und fiel auf die Knie. Nachtauge setzte sich neben mich und wartete. Ich wollte mich auf dem Boden ausstrecken, doch er nahm mein Handgelenk zwischen die Zähne und zog an meinem Arm, sehr behutsam; dennoch wurde das Ding in meinem Rücken plötzlich zu einem Feuerbrand. Ein klagender Laut drang aus meiner Kehle.
    Bitte, mein Bruder. Da vorne sind Hütten und Licht ist darin. Feuer und Wärme. Und jemand mit Händen, der die schlimme Wunde in deinem Rücken säubern kann. Bitte. Steh auf. Nur noch einmal.
    Ich hob den Kopf, der schwer war, so schwer, und bemühte mich, etwas zu erkennen. Da war etwas auf dem Weg vor uns, ein Hindernis wie ein Felsen im Strom, an dem das Wasser sich teilt und zu beiden Seiten vorüberfließt. Das Mondlicht übergoß es mit Silber, doch ich konnte nicht ausmachen, was es war. Ich kniff spähend die Augen zusammen, und es wurde zu einem behauenen Stein, mehr als mannshoch. Man hatte ihm nicht eine bestimmte Gestalt aufgezwungen, sondern nur mit feinfühliger Hand die ursprüngliche Form herausgearbeitet und sublimiert. An seinem Fuß ließen kahle Zweige ein blühendes Sommergebüsch vermuten. Eine niedrige Trockenmauer diente als Einfassung. Alles war schneebedeckt. Aus irgendeinem Grund erinnerte die kleine Anlage mich an Kettricken.
    Ich versuchte aufzustehen, aber es ging nicht. Neben mir winselte Nachtauge verstört, und ich war nicht in der Lage, einen Gedanken zu formen, um ihn zu beruhigen. Der Boden übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus, gegen die ich ankämpfen mußte.
    Ich hörte keine Schritte, fühlte nur die plötzliche Zunahme der Spannung, die in Nachtauges Körper vibrierte. Mühevoll hob ich erneut den Kopf. Noch weit entfernt, hinter dem Stein, entdeckte ich eine Gestalt, die sich uns näherte. Hochgewachsen und schmal, in schwere Stoffe gehüllt und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Ich sah ihr entgegen. Der Tod, dachte ich. Nur der Tod konnte sich so lautlos aus der Dunkelheit materialisieren und wie ein Phantom durch diese unwirtliche Nacht schweben. »Lauf weg«, flüsterte ich Nachtauge zu. »Es muß nicht sein, daß er uns beide holt. Lauf weg.«
    Ausnahmsweise gehorchte er mir und schlüpfte zwischen die Sträucher am Wegesrand. Ich fühlte seine Stärke von mir abgleiten wie einen warmen Mantel. Ein Teil von mir wollte mit ihm gehen, sich an den Wolf klammern, Wolf sein. Ich sehnte mich danach, diesen von Schmerzen gepeinigten Körper zu verlassen.
    Wenn du es willst, mein Bruder. Wenn du es wahrhaftig willst, werde ich dich nicht zurückweisen.
    Ich wünschte mir, er hätte es nicht gesagt. Sein großherziges Angebot machte es mir nicht leichter, der Versuchung zu widerstehen. Ich hatte mir geschworen, ich würde ihm das nicht antun. Wenn ich denn sterben mußte, sollte er meiner frei und ledig zurückbleiben und sein eigenes Leben führen dürfen. Doch als der Augenblick des Sterbens nun gekommen schien, gab es tausend gute Gründe, dieses mir selbst gegebene Versprechen zu vergessen. Der gesunde, kraftvolle Körper, die Beschränkung auf die grundlegenden Bedürfnisse, den Ballast von Verpflichtungen, Erwartungen, Bindungen abwerfen...
    Die Gestalt kam näher. Kälte und Schmerz schüttelten mich wie eine gewaltige Faust. Bei meinem Wolf konnte ich Asyl finden. Ich bot den letzten Rest meiner Kraft auf, um standhaft zu bleiben. »Hier!« rief ich dem Tod mit krächzender Stimme entgegen. »Hier bin ich. Komm und hole mich und mach der Qual ein Ende!«
    Er hörte mich. Ich sah, wie er den Schritt verhielt und

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