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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Lösung.«
    Die Schulung, die Chade meinem Gedächtnis hatte angedeihen lassen, kam mir jetzt gut zupaß. Vor dem Einschlafen ließ ich vor meinem inneren Auge den Spielplan entstehen und gab mir einen schwarzen Stein, um zu gewinnen. Es gab eine ziemliche Auswahl an möglichen Zügen, da Schwarz auch Rot von seinem Platz verdrängen konnte, und Rot hatte ein ähnliches Vorrecht gegenüber Weiß. Mit geschlossenen Augen exerzierte ich etliche Variationen durch, bis ich endlich einschlief. Entweder träumte ich von dem Spiel oder überhaupt nichts. Zwar genoß ich deshalb einen ungestörten Schlummer, doch am Morgen wußte ich noch immer keine Lösung für die Aufgabe, die Krähe mir gestellt hatte.
    Ich wachte als erster auf, kroch aus dem Zelt und holte einen Topf voll mit frisch gefallenem Schnee, um ihn für den Morgentee zu schmelzen. Draußen war es erheblich wärmer als während der letzten Tage, so daß ich mich fragte, ob im Tiefland vielleicht schon der Frühling einzog. Bevor meine Gedanken sich selbständig machen konnten, beschäftigte ich mich wieder mit dem Spiel. Nachtauge kam zu dem Platz, wo ich saß, und legte mir den Kopf auf die Schulter.
    Ich bin es leid, von Steinen zu träumen. Mach die Augen auf und betrachte das Ganze, kleiner Bruder. Es sind nicht einzelne Jäger, wie du es siehst, es ist ein jagendes Rudel. Sieh. Der da. Setze dort den schwarzen Stein hin und nimm den roten nicht, um einen weißen zu verdrängen, sondern schließe damit die Falle – dort. Das ist alles.
    Ich staunte noch immer über die geniale Einfachheit von Nachtauges Lösung, als Krähe aufwachte. Mit einem hinterhältigen Lächeln fragte sie mich, ob ich die Lösung gefunden hätte. Wortlos nahm ich einen schwarzen Stein aus dem Beutel und führte die Züge aus, die der Wolf vorgeschlagen hatte. Krähe blieb vor Überraschung der Mund offenstehen, dann schaute sie respektvoll zu mir auf. »Noch keiner ist bisher so schnell auf die Lösung gekommen«, sagte sie.
    »Ich hatte Hilfe«, gestand ich verlegen. »Das Lob gebührt dem Wolf, nicht mir.«
    Krähe machte große Augen. »Du treibst deinen Scherz mit einer alten Frau«, tadelte sie mich matt.
    »Nein, keineswegs«, beeilte ich mich zu versichern. Ich hatte ihre Gefühle verletzt. »Ich habe mir fast die ganze Nacht den Kopf darüber zerbrochen. Ich glaube, ich habe sogar von taktischen Spielzügen geträumt. Doch als ich aufwachte, war es Nachtauge, der die Lösung hatte.«
    Sie blieb eine Weile stumm. »Ich dachte, Nachtauge wäre ein – besonders kluges Tier. Eins, das deine Anweisungen versteht, ohne daß du sie aussprechen mußt. Willst du mir weismachen, daß er versteht, was ich sage?«
    Uns gegenüber hatte Merle sich auf einen Ellbogen aufgestützt und lauschte unserem Gespräch. Ich suchte nach Ausflüchten, dann aber beschloß ich, endlich ein Ende zu machen mit den Lügen und Verstellungen. »Wir sind durch die Alte Macht verschwistert. Was ich höre und verstehe, versteht er auch. Was ihn interessiert, das lernt er. Ich behaupte nicht, er könnte einen Text lesen oder ein Lied auswendig lernen, doch wenn ein Problem ihn fesselt, denkt er darüber nach, auf seine Weise. Wie ein Wolf, meistens, aber manchmal auch – abstrakt...« Ich rang darum, in Worte zu fassen, was ich selbst nicht ganz verstand. »Er sah das Spiel als ein Rudel von Wölfen, die ein Wild vor sich hertreiben, nicht als schwarze und weiße und rote Spielsteine. Und er sah, wohin er sich bewegen würde, gehörte er zu diesem Rudel, um das Wild nicht entkommen zu lassen. Ich glaube, andersherum sehe ich Dinge manchmal, wie sie sich für ihn darstellen, wie ein Wolf. Das ist nicht falsch oder widernatürlich, sondern nur eine andere Art, die Welt zu betrachten.«
    In Krähes Augen stand trotz allem noch ein Rest abergläubischer Furcht, als sie von mir zu dem schlafenden Wolf blickte. Nachtauge wählte diesen Augenblick, um träge mit dem Schwanz auf den Boden zu klopfen und damit zu bekunden, daß er genau wußte, daß von ihm die Rede war. Krähe schüttelte sich leicht. »Was du mit ihm tust ist – wie von der Gabe Gebrauch machen zwischen Menschen, nur mit einem Wolf?«
    Ich wollte den Kopf schütteln, aber dann zuckte ich mit den Schultern. »Die Alte Macht ist zu Beginn mehr ein Teilen von Gefühlen. So erlebte ich sie als Kind. Witterungen aufnehmen, ein Huhn jagen, weil die Federn so schön stieben, sich gemeinsam den Bauch vollschlagen. Doch wenn man so lange zusammengewesen

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