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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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in vorderster Linie gegen den anrennenden Feind. Unglücklicherweise hatten die von Bocksburg erhobenen Sonderabgaben für die Kriegskasse schon vor langer Zeit seine Ressourcen aufgezehrt, und die Befestigungen von Burg Barchent waren in desolatem Zustand. Die Roten Korsaren nahmen die Burg im Handstreich und verwandelten sie in den Trümmerhaufen, als den man sie heute noch auf ihrem Hügel liegen sehen kann.
     
    Anders als die Gabenstraße zeigte der Weg, auf dem wir am nächsten Tag unsere Reise fortsetzten, in vollem Ausmaß die Spuren der Zeit. Der Wald hatte das Menschenwerk zurückerobert, und von der einst breiten Schneise war nur ein schmaler Pfad geblieben. Während es für mich fast ein Vergnügen war, einem Weg zu folgen, der keinerlei Absichten hatte, mein Bewußtsein zu beeinflussen, murrten die anderen über Grasbüschel, knorrige Wurzeln und allerlei Hindernisse, die das Vorankommen erschwerten. Ich für meinen Teil erfreute mich an dem dicken Moospelz auf dem uralten Pflaster, dem spalierartigen Schatten der noch blattlosen Baumkronen und dem gelegentlichen Rascheln flüchtender Tiere im Unterholz.
    Nachtauge war in seinem Element. Er lief voraus und kehrte im Galopp wieder zurück, um wie ein treuer Vasall neben Kettricken herzutrotten; dann hielt es ihn nicht mehr, und er stob erneut davon. Einmal machte er einen Abstecher zu dem Narren und mir und brachte die frohe Botschaft, wir würden an diesem Abend Jagd auf Wildschweine machen, er habe überall ihre Fährten gefunden. Ich setzte den Narren davon in Kenntnis.
    »Ich habe kein Wildschwein verloren, deshalb werde ich auch keins jagen«, erwiderte er von oben herab. Ich teilte seine Ansicht. Burrichs zernarbtes Knie hatte mir einen gesunden Respekt vor diesen großen, mit Hauern bewehrten Tieren eingeflößt.
    Kaninchen, schlug ich Nachtauge vor. Jagen wir Kaninchen.
    Warum nicht Hasen für die Hasenherzigen, schnaubte er verächtlich und entfernte sich gekränkt.
    Ich ignorierte die Beleidigung. Der Tag war genau richtig für eine Wanderung, angenehm und kühl, und der grünende Wald roch für mich wie Balsam. Vor uns ging Kettricken, still und in ihre eigenen Gedanken versunken. Hinter uns folgten plaudernd Merle und Krähe. Krähe ging noch immer ziemlich langsam, obwohl die alte Frau seit Beginn unserer Reise merklich an Ausdauer und Kraft gewonnen hatte. Sie waren so weit hinter uns, daß sie nicht verstehen konnten, was wir sprachen, als ich den Narren fragte: »Weshalb nimmst du unwidersprochen hin, daß Merle dich für eine Frau hält?«
    Er schaute mich an, wackelte mit den Augenbrauen und warf mir eine Kußhand zu. »Und bin ich das etwa nicht, holdes Prinzlein?«
    »Ich meine es ernst. Sie glaubt, du bist eine Frau und verliebt in mich. Sie glaubt, wir hätten letzte Nacht ein Stelldichein gehabt.«
    »Hatten wir das etwa nicht, du mein schüchterner Herzensdieb?« Er verdrehte schmachtend die Augen.
    »Narr!« sagte ich warnend.
    »Ah!« Er seufzte plötzlich. »Vielleicht ist es so, daß ich mich scheue, ihr den augenscheinlichen Beweis zu zeigen, damit sie nicht nachher alle anderen Männer unzulänglich findet.«
    Ich schaute ihn mit gerunzelten Brauen an, bis er ernst wurde. »Was macht es schon, was sie glaubt? Soll sie glauben, was sie glücklich macht.«
    »Das heißt?«
    »Sie brauchte jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte, und eine Zeitlang war ich es. Vielleicht fiel es ihr leichter, wenn sie glaubte, ich sei ebenfalls eine Frau.« Er seufzte wieder. »Das ist etwas, woran ich mich in all den Jahren bei deinem Volk nicht habe gewöhnen können. Die große Bedeutung, die ihr dem Geschlecht eines Menschen beimeßt.«
    »Nun, es ist wichtig...«
    »Blödsinn!« ereiferte er sich. »Alles nur Architektur, wenn der Worte erst genug gewechselt sind. Weshalb sollte es wichtig sein?«
    Ich starrte ihn an und suchte nach Worten. Für mich war das alles so selbstverständlich, daß es keiner Argumente bedurfte. Nach einer Weile sagte ich: »Kannst du ihr nicht einfach sagen, daß du ein Mann bist, und damit ist die Sache erledigt?«
    »Leider wäre es weder einfach noch erledigt, Fitz.« Er kletterte über einen umgestürzten Baumstamm und wartete, bis ich wieder neben ihm war. »Dann würde sie nämlich wissen wollen, weshalb – als ein Mann – ich sie nicht begehre. Es gälte zu ergründen, ob ein Mangel bei mir vorliegt oder ob ich etwas bei ihr als Mangel empfinde. Nein. Ich finde nicht, daß über dieses Thema gesprochen

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