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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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werden muß. Merle allerdings leidet an der Schwäche aller Vaganten. Sie glaubt, alles, einfach alles, müsse, statt mit dem Mantel des Schweigens bedeckt, in Worte gekleidet werden. Oder besser noch zu einem Lied verarbeitet. Heißa!«
    Mitten auf dem Waldweg stellte er sich in Positur. Seine Haltung war eine so unverkennbare Parodie auf Merle, wenn sie sich zu einem Vortrag anschickte, daß ich einen Schreck bekam. Ich schaute zu ihr hin, als der Narr plötzlich aus voller Kehle zu singen begann:
    »Wenn es den Narren drucket,
    sag, ob er steht oder hucket;
    Und wenn wir ihn lupfen,
    aus der Hose ihn schlupfen,
    sag, hat er Schlitz oder Schwengel?«
     
    Mein Blick huschte von Merle zu dem Narren. Er verbeugte sich, eine übertriebene Nachahmung des elaboraten Kompliments, mit dem die Vagantin häufig ihren Auftritt beendete. Einerseits hätte ich am liebsten laut gelacht, doch andererseits wünschte ich mir im Erdboden zu versinken. Ich sah, wie Merle das Blut ins Gesicht schoß und sie eine heftige Bewegung machte; aber Krähe hielt sie am Ärmel fest und redete mahnend auf sie ein. Dann schauten beide bitterböse auf mich. Nicht zum ersten Mal hatte eine Eskapade des Narren mich in Verlegenheit gestürzt, jedoch nie so schlimm wie heute. Ich machte eine Gebärde der Hilflosigkeit, dann drehte ich mich zu dem Narren um. Er hüpfte vor mir den Pfad entlang. Ich beeilte mich, ihn einzuholen.
    »Hast du je daran gedacht, daß du ihre Gefühle verletzen könntest?« fragte ich ihn ungehalten.
    »Ich habe auf ihre Gefühle soviel Rücksicht genommen wie sie auf meine.« Er wirbelte auf einem Bein zu mir herum und wedelte mit dem Zeigefinger. »Gib’s zu. Du hast diese Frage gestellt, ohne zu überlegen, ob sie vielleicht meine Eitelkeit kränkt. Wie würdest du dich fühlen, wenn ich von dir verlangte, mir zu beweisen, daß du ein Mann bist? Ach, was soll’s!« Plötzlich sanken seine Schultern herab, und alle Kraft schien ihn zu verlassen. »Über so etwas Worte verlieren zu müssen, angesichts der Dinge, die uns bevorstehen. Laß es gut sein, Fitz, und ich tue es auch. Soll sie mich nennen, wie sie mag. Ich werde mein Bestes tun, es zu ignorieren.«
    Ich hätte auf ihn hören sollen, doch ich tat es nicht. »Aber sie glaubt auch, daß du mich liebst«, versuchte ich zu erklären.
    Er warf mir einen rätselhaften Blick zu. »Das tue ich.«
    »Ich meine, wie Mann und Frau sich lieben.«
    Er schürzte die Unterlippe. »Und wie ist das?«
    »Ich meine...« Es regte mich auf, daß er vorgab, mich nicht zu verstehen. »Um beieinanderzuliegen. Um...«
    »Und das ist, wie ein Mann eine Frau liebt?« unterbrach er mich. »Um ihr beizuliegen.«
    »Es gehört dazu!« Ich fühlte mich auf einmal ins Unrecht gesetzt, ohne zu wissen warum.
    Der Narr zog eine Augenbraue in die Stirn und erklärte ruhig: »Du verwechselst schon wieder Liebe und Architektur.«
    »Es ist mehr als Architektur!« schrie ich ihn an. Ein Vogel flog krächzend auf. Ich schaute zu Krähe und Merle zurück, die verwunderte Blicke tauschten.
    »Ich verstehe.« Er dachte nach, während ich ihn überholte und weiterging; dann rief er mir nach: »Sag mir, Fitz, hast du Molly geliebt oder das, was unter ihren Röcken ist?«
    Nun hätte ich Grund gehabt, mich gekränkt abzuwenden, aber ich hatte nicht die Absicht, ihm das letzte Wort zu lassen. »Ich liebe Molly und alles, was zu ihr gehört«, erklärte ich und ärgerte mich über die Hitze, die mir in die Wangen stieg.
    »Siehst du, da hast du es gesagt«, antwortete der Narr, als hätte ich ihm die Bestätigung zu etwas geliefert. »Und ich liebe dich samt allem, was zu dir gehört.« Er legte den Kopf zur Seite. Seine nächsten Worte enthielten eine Herausforderung. »Und diese meine allumfassende Liebe erwiderst du nicht?«
    Er wartete, während sich in meinem Kopf die Gedanken überschlugen und ich mir verzweifelt wünschte, dieses Gespräch nie angefangen zu haben. »Du weißt, daß ich dich liebe«, antwortete ich schließlich widerwillig. »Nach allem, was wir zusammen erlebt haben, wie kannst du da noch fragen? Doch ich liebe dich wie ein Mann einen anderen Mann...« Hier glubschte der Narr mich lüstern an; dann trat plötzlich ein Funkeln in seine Augen, und ich wußte, gleich würde er mir etwas Schreckliches antun.
    Schon war er mit einem behenden Satz auf einen umgestürzten Baumstamm gesprungen, warf von diesem Podest Merle einen triumphierenden Blick zu und rief theatralisch: »Er liebt mich,

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