Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Augenblick war es die Hand König Listenreichs, der mir Kraft entzog. Dann gab sie mir einen aufmunternden kleinen Klaps. Ich schloß die Augen und spürte die kalte Stirn des Narren unter meiner Hand. Ich öffnete meine Schutzwehren.
Der Gabenfluß nahm mich auf. Ein Augenblick, um mich zu orientieren. Entsetzen durchzuckte mich, als ich Will und Burl am äußersten Rand meiner Wahrnehmung spürte. Sie befanden sich in großer Aufregung über irgend etwas. Ich prallte zurück, als hätte ich einen heißen Ofen berührt und engte meine Blickrichtung ein. Der Narr, der Narr, einzig und allein der Narr. Ich suchte nach ihm, und beinahe fand ich ihn. Oh, er war seltsam. Wundersam. Er huschte kreuz und quer und entschlüpfte mir wie ein goldenes Fischlein in einem binsenbewachsenen Teich; wie die Flecken, die einem vor den Augen tanzen, wenn man zu lange in die Sonne geblickt hat. Ebensogut konnte man nach dem Spiegelbild des Mondes in einem stillen, mitternächtlichen Tümpel greifen, wie diesen luftigen Verstand zu fassen versuchen. In einem Augenblick erfaßte und bestaunte ich seine Schönheit und Einzigartigkeit, im nächsten hatte ich alles vergessen. Dann, mit einer Einsicht würdig des Figurenspiels, wußte ich, was ich tun mußte. Statt den Versuch zu machen, den Narren zu fangen, kreiste ich ihn ein, umfing alles, was ich von ihm sah und schirmte es ab gegen Gefahr. Es erinnerte mich daran, wie ich angefangen hatte zu lernen, mit der Gabe umzugehen. Oft hatte Veritas mir diesen Dienst erwiesen, mir geholfen, wenn die Strömung der Gabe mich über die ganze Welt zu verteilen drohte. Ich diente dem Narren als Halt, während er sich langsam wieder um seinen Mittelpunkt sammelte.
Plötzlich fühlte ich einen kühlen Griff um mein Handgelenk. »Hör auf«, bat er schwach. »Bitte«, fügte er hinzu, und es schmerzte mich, daß er dieses Wort zu gebrauchen glaubte. Ich zog mich aus seinem Bewußtsein zurück, öffnete die Augen und mußte einige Male blinzeln. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß ich fror und von Kopf bis Fuß mit kaltem Schweiß bedeckt war Der Narr konnte nicht blasser werden als er immer war, doch sein Gesicht besaß einen fragenden Ausdruck, als wäre er nicht ganz sicher, ob er wachte oder träumte Unsere Blicke trafen sich, und fast glaubte ich, einen Impuls von ihm zu spüren. Ein Band der Gabe, dünn wie ein Spinnwebfaden, aber vorhanden. Wäre mein Bewußtsein nicht von meiner Suche her noch so offen für ihn gewesen, hätte ich es möglicherweise überhaupt nicht wahrgenommen.
»Das hat mir nicht gefallen«, sagte er matt.
»Es tut mir leid. Ich dachte, sie hätten dich in ihrer Gewalt. Deshalb bin ich auf die Suche nach dir gegangen.«
Er bewegte schwach die Hand. »Nicht du. Ich meinte die anderen.« Er schluckte, als wäre ihm übel. »Sie waren in mir. In meinem Bewußtsein, in meinen Erinnerungen. Zerschlugen und besudelten, was sie fanden, wie böse, ungezogene Kinder. Sie...« Seine Augen wurden glasig.
»War es Burl?« fragte ich behutsam.
»Ja. Ja, das ist sein Name, obwohl er sich selbst kaum mehr daran erinnert. Will und Edel haben ihn zu ihrem Werkzeug gemacht. Durch ihn drangen sie in mich ein, weil sie glaubten, dich gefunden zu haben...« Seine Stimme wurde immer leiser. »Oder so scheint es. Woher sollte ich so etwas wissen?«
»Die Gabe ermöglicht unerwartete Einsichten. Sie können nicht dein Bewußtsein übernehmen, ohne einiges von sich selbst preiszugeben«, erklärte Krähe widerwillig. Sie nahm einen dampfenden Topf mit Wasser vom Glutbecken. Zu mir sagte sie: »Gib mir deine Elfenrinde.«
Sofort griff ich nach meinem Packen, um die Elfenrinde hervorzukramen. Ich konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, anzüglich zu bemerken: »Wenn ich mich recht entsinne, hieltest du dieses Mittel für eher schädlich als wohltätig.«
»Das ist es auch«, erwiderte sie schroff. »Für Gabenkundige. Doch für ihn, der sich nicht selbst zu schützen versteht, kann es hilfreich sein. Sie werden ihr Glück erneut versuchen, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Wenn sie in ihn eindringen können, auch nur für einen Augenblick, werden sie ihn benutzen, um dich zu finden. Es ist ein alter Trick.«
»Einer, von dem ich nie gehört habe«, sagte ich betont, als ich ihr den Beutel reichte. Krähe zerbröckelte etwas Elfenrinde und goß kochendes Wasser darauf, dann verstaute sie wie selbstverständlich den Beutel in ihrem eigenen Packen. Ganz
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