Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Bad verlassen müssen. Es ging auf den Abend zu, und die aufkommende Kühle ließ das heiße Wasser um so wohltuender erscheinen. Nach einigen Minuten schaute ich zu dem Narren hin. Er stand noch immer da und starrte mich an.
»Stimmt etwas nicht?« fragte ich.
Er machte eine unentschlossene Handbewegung, dann ließ er sich umständlich am Ufer nieder. »Ich habe über dich und deine Kerzenmacherin nachgedacht«, sagte er plötzlich.
»Tatsächlich? Ich habe mich bemüht, es nicht zu tun.«
Er dachte eine Weile nach. »Wenn du stirbst, was wird aus ihr?«
Ich rollte mich auf den Bauch, stützte mich auf die Ellbogen und schaute den Narren an. In Anbetracht seines Benehmens in letzter Zeit glaubte ich, dies sei die Einleitung zu einem neuen Schabernack, aber sein Gesicht war ernst.
»Burrich wird sich um sie kümmern«, antwortete ich, »solang sie Hilfe braucht. Sie ist eine tüchtige Frau.« Nach kurzem Überlegen fügte ich hinzu: »Sie hat immer für sich selbst gesorgt, lange bevor... Nein! Ich habe niemals wirklich für sie gesorgt. Ich war ihr nahe, aber sie hat immer auf eigenen Füßen gestanden.« Ich fühlte mich sowohl beschämt als auch stolz. Beschämt, daß ich ihr außer Herzeleid so wenig gegeben hatte, und stolz, weil eine solche Frau mich geliebt hatte.
»Aber du möchtest doch wenigstens, daß ich ihr eine Nachricht überbringe, oder nicht?«
Ich schüttelte langsam den Kopf. »Sie hält mich für tot. Beide halten mich für tot. Wenn ich sterben muß, ist es mir lieber, sie bleibt in dem Glauben, ich hätte in Edels Kerker den Tod gefunden. Wenn sie die Wahrheit erfährt, fällt noch ein Schatten auf ihre Erinnerung an mich. Wie solltest du ihr erklären, weshalb ich nicht sofort zu ihr zurückgekehrt bin? Nein. Falls mir etwas zustößt, möchte ich nicht, daß man ihr erzählt, was geschehen ist.« Wieder einmal drohte das Elend mich zu überwältigen. Und wenn ich am Leben blieb und zu ihr zurückkehren würde? Der Gedanke war fast noch unerträglicher. Ich versuchte mir auszumalen, wie ich vor ihr stand und ihr gestehen mußte, daß ich wieder einmal den Dienst an meinem König über meine Liebe zu ihr gestellt hatte. Ich biß die Zähne zusammen.
»Dennoch, wenn dies alles vorüber und zu Ende ist, möchte ich sie gerne wiedersehen«, äußerte der Narr.
Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. »Du? Ich wußte nicht einmal, daß ihr je ein Wort miteinander gewechselt habt.«
Einen Augenblick lang schien der Narr ratlos zu sein. »Um deinetwillen, meinte ich natürlich. Um mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, daß sie gut versorgt ist.«
Ich fühlte mich eigenartig gerührt. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Dann sag gar nichts. Verrate mir nur, wo ich sie finde.« Er lächelte.
»Das weiß ich selbst nicht genau«, mußte ich zugeben. »Chade weiß es. Sollte ich... sollte ich nicht überleben, frag ihn, was du tun mußt.« Es brachte Unglück, wenn man von seinem eigenen Tod sprach, deshalb fügte ich hinzu: »Natürlich wissen wir beide, daß wir am Leben bleiben werden. Es ist vorhergesagt, oder nicht?«
Der Narr warf mir einen seltsamen Blick zu. »Von wem?«
Das gab mir einen Stich ins Herz. »Von irgendeinem Weißen Propheten, hatte ich gehofft.« Mir fiel ein, daß ich den Narren nie gefragt hatte, ob mein Überleben prophezeit worden war. Auch eine gewonnene Schlacht fordert Verluste. Ich faßte Mut. »Sagen die Prophezeiungen, daß der Katalysator leben wird?«
Sein Gesicht verzog sich, als dächte er angestrengt nach. Unvermittelt bemerkte er: »Chade führt ein gefährliches Leben; er ist ebenfalls nicht gegen den Tod gefeit. Falls es ihn trifft – du mußt doch eine Ahnung haben, wo das Mädchen ist. Willst du es mir nicht sagen?«
Daß er meine Frage nicht beantwortet hatte, schien mir plötzlich Antwort genug zu sein. Der Katalysator würde nicht überleben. Es war ein Gefühl, als würde man von einer eisigen Brandungswoge getroffen. Ich glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren und in diesem kalten Wissen zu ertrinken. Nie würde ich meine Tochter im Arm halten, nie wieder Mollys Wärme spüren. Es tat beinahe körperlich weh, und einen Augenblick lang war ich unfähig zu denken.
»Fitz?« sagte der Narr in drängendem Ton. Gleich darauf zuckte seine Hand in die Höhe und legte sich über seinen Mund, als wolle er sich kein weiteres Wort entschlüpfen lassen. Mit der anderen Hand umfaßte er das Handgelenk und zerrte daran. Dabei
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