Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
bearbeiteten Stein. Die Eleganz und verwegene Anmut des Bauwerks brachten sogar den Narren eine Zeitlang zum Schweigen.
Nach der Brücke erstiegen wir eine Reihe von mäßig hohen Hügeln, bis die Straße sich schließlich wieder in ein Tal hinuntersenkte oder in eine Schlucht, schmal und tief, als hätte in grauer Vorzeit ein Riese mit seiner Streitaxt eine Kerbe in die Erde gehauen. Während des ganzen Abstiegs hatten wir keine rechte Vorstellung von dem, was uns erwartete; der Talgrund lag verborgen unter Dunstschwaden und üppiger Vegetation. Ich wunderte mich, bis das erste Rinnsal warmen Wassers unseren Pfad kreuzte. Es sprudelte dampfend aus einer Quelle unmittelbar neben der Straße, längst nicht mehr gebändigt von dem steinernen Bassin und Drainagekanal irgendeines vergessenen Ingenieurs. Der Narr verbreitete sich in Wort und Gebärde über ihren üblen Geruch, ob er faulen Eiern zuzuschreiben wäre oder einer Flatulenz aus dem Bauch der Erde. Ausnahmsweise vermochte nicht einmal seine Derbheit mir ein Lächeln abzunötigen, als hätte er seine Bübereien übertrieben. Mir schien, er hatte das Augenzwinkern vergessen, und nur der Unflat und das Gemeine waren geblieben.
Am frühen Nachmittag befanden wir uns in einem Gebiet dampfender Tümpel. Die Verlockung war zu groß, um ihr widerstehen zu können, und Kettricken ließ das Lager aufschlagen. Endlich wieder der lang vermißte Luxus heißen Wassers, um unsere müden Leiber darin zu erquicken, auch wenn der Narr über den Geruch die Nase rümpfte. Für mich roch es nicht schlimmer als in den heißen Bädern von Jhaampe, doch ich muß zugeben, ich verzichtete nicht ungern auf seine Gesellschaft. Er machte sich auf die Suche nach Trinkwasser, während die Frauen den größten Teich mit Beschlag belegten und ich mich für die verhältnismäßige Abgeschiedenheit eines kleineren Beckens in einiger Entfernung entschied. Nachdem ich mich eine geraume Weile genußvoll eingeweicht hatte, beschloß ich, meinen Kleidern eine ähnliche Wohltat angedeihen zu lassen. Der mineralische Geruch des Wassers war um vieles angenehmer als die olfaktorische Signatur, die mein eigener Körper dem Stoff eingeprägt hatte. Gedacht, getan, und anschließend breitete ich die Wäsche zum Trocknen im Gras aus und legte mich wieder in den Tümpel. Nachtauge kam und setzte sich am Ufer nieder, den Schwanz hübsch ordentlich um die Pfoten gelegt.
Tut gut, erklärte ich, wohl wissend, daß er mein Behagen spüren konnte.
Es muß daran liegen, daß ihr kein Fell habt, tat er mir schließlich das Ergebnis längeren Nachdenkens kund.
Spring rein, und ich schrubbe dich ab. Es wird dir helfen, deine Winterwolle loszuwerden.
Er schnaufte verachtungsvoll. Ich glaube, ich kratze sie lieber nach und nach ab.
Nun, du brauchst nicht hier zu sitzen, mir zuzuschauen und dich zu langweilen. Geh jagen, wenn du willst.
Ich würde schon wollen, aber das oberste Weibchen hat mich gebeten, auf dich aufzupassen. Das tue ich.
Kettricken?
So nennt ihr sie.
Wie hat sie dich gefragt?
Er warf mir einen verwunderten Blick zu. Wie du auch. Sie schaute mich an, und ich kannte ihre Gedanken. Sie war besorgt, weil du allein bist.
Weiß sie, daß du sie verstehst? Versteht sie dich?
Fast, zuweilen. Er streckte sich im Gras aus, reckte sich und rollte seine rosafarbene Zunge auf. Wenn deine Gefährtin von dir verlangt, dich von mir zu trennen, werde ich mich vielleicht mit ihr verschwistern.
Das finde ich nicht komisch.
Er gab keine Antwort, sondern wälzte sich herum und dann im Gras hin und her, um seinen Rücken zu kratzen. Das Thema Molly war ein wunder Punkt zwischen uns geworden, ein Riß, dem ich mich nicht zu nähern wagte, doch an den er mich fast maliziös immerzu erinnerte. Ich wünschte mir, es könnte wieder wie früher sein, als wir eins gewesen waren und nicht weiter dachten als bis zu unserer nächsten Mahlzeit. Müde ließ ich den Kopf zurücksinken und schloß die Augen.
Als ich sie wieder aufschlug, stand der Narr am Ufer und schaute auf mich hinunter. Ich erschrak, und Nachtauge, offenbar ebenfalls überrumpelt, sprang knurrend auf.
»Ein großartiger Wächter«, beschwerte ich mich mit gespielter Entrüstung...
Man kann ihn nicht wittern, und sein Schritt ist leichter als fallender Schnee! verteidigte sich der Wolf.
»Er ist immer bei dir, nicht wahr?« erkundigte sich der Narr.
»Auf die eine oder andere Art«, stimmte ich zu und legte mich wieder zurück. Bald würde ich mein
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