Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
machte er ein Gesicht, als wäre ihm übel.
»Schon gut«, sagte ich matt. »Vielleicht ist es besser, wenn ich weiß, was mich erwartet.« Ich seufzte und forschte in meinem Gedächtnis. »Ich hörte sie von einem Dorf sprechen. Burrich geht dorthin, um einzukaufen. Es kann nicht weit weg sein. Dort könntest du anfangen.«
Der Narr nickte mir aufmunternd zu. Tränen standen in seinen Augen.
»Kapelan. Das Dorf heißt Kapelan«, sagte ich schließlich.
Einen Augenblick lang saß er da und starrte mich an. Dann kippte er langsam zur Seite.
»Narr?«
Keine Reaktion. Ich stand auf. Das warme Wasser strömte an meinem Körper hinunter, und ich schaute zu ihm hin. Er lag da wie schlafend. »Narr!« rief ich ärgerlich. Als er sich noch immer nicht rührte, watete ich ans Ufer und trat zu ihm hin. Tatsächlich hatte er die Augen geschlossen und heuchelte mit tiefen, gleichmäßigen Atemzügen unschuldigen Schlummer. »Narr?« fragte ich wieder und war darauf gefaßt, daß er plötzlich vor mir in die Höhe schnellte; doch er machte nur eine fahrige Bewegung, als hätte ich ihn in seinen Träumen gestört. Es erbitterte mich mehr, als ich sagen konnte, daß er mitten in einem ernsthaften Gespräch einen albernen Schabernack aufführen mußte; aber was konnte man nach seinem Benehmen während der letzten Tage schon erwarten. Plötzlich hatte das heiße Bad seinen Reiz für mich verloren. Ich begann, meine Kleider zusammenzusuchen und tat so, als wäre er nicht da. Auch während ich mir flüchtig das Wasser vom Körper streifte und in Hemd und Hose schlüpfte, die ebenfalls noch feucht waren, ignorierte ich ihn. Ohne noch ein Wort an den Narren zu verschwenden, machte ich mich auf den Rückweg zum Lager. Nachtauge trottete hinter mir her.
Ist es ein Spiel? fragte er mich.
Wie man’s nimmt, antwortete ich kurz. Zumindest ist es kein sehr lustiges.
Die Frauen waren bereits ins Lager zurückgekehrt. Kettricken studierte die Karte, während Krähe kleine Portionen des restlichen Körnerfutters an die Jeppas verteilte. Merle saß beim Feuer und zog einen Kamm durch ihr Haar. Sie schaute auf, als ich herankam. »Hat der Narr Trinkwasser gefunden?« fragte sie.
Ich zuckte die Schultern. »Jedenfalls nicht, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«
»Die Wasserschläuche sind auch noch voll genug. Doch ich habe gern frisches Wasser für den Tee.«
»Ich auch.« Ich setzte mich und schaute ihr zu. Wie von selbst schienen Merles Finger das feuchte Haar in einzelne Strähnen zu teilen und zu Zöpfen zu flechten, die sie aufrollte und feststeckte.
»Ich kann es nicht leiden, wenn mir nasses Haar ins Gesicht hängt«, erklärte sie, und ich bemerkte, daß ich sie angestarrt hatte. Verlegen wandte ich den Blick ab.
»Aha, er kann immer noch rot werden«, lachte sie und fügte dann bedeutungsvoll hinzu: »Möchtest du meinen Kamm borgen?«
Ich fuhr mit der Hand über mein verfilztes Haar. »Wahrscheinlich sollte ich das.«
»Allerdings«, stimmte sie zu, aber statt mir den Kamm zu geben, trat sie um das Feuer herum und kniete hinter mir nieder. »Wie hast du diesen Urwald zustande gebracht?« verwunderte sie sich laut und begann Strähne um Strähne von unten her zu entwirren.
»Es wächst einfach so«, murmelte ich. Merles sanfte Berührung, das leichte Ziehen an der Kopfhaut fühlten sich unglaublich gut an.
»Es ist so fein; deshalb verfilzt es. Ich habe nie einen Mann aus den Marken mit so feinem Haar getroffen.«
Für einen Augenblick schien die Welt den Atem anzuhalten. Ein Strand in den Marken an einem windigen Tag, und Molly neben mir auf einer Decke, ihre Bluse noch halb offen. Sie hatte mir gesagt, man hielte mich für das Beste, das seit Burrich aus den Ställen gekommen sei. »Ich glaube, es liegt an deinem Haar. Es ist nicht so struppig wie das der meisten Männer hier.« Ein kurzes Zwischenspiel mit Neckereien, müßigem Geplauder und ihrer süßen Berührung unter dem weiten Himmel. Fast mußte ich lächeln; aber ich konnte mich an jenen Tag nicht erinnern, ohne daran zu denken, daß auch er, wie so viele unserer Stelldicheins, in Streit und Tränen geendet hatte. Die Kehle wurde mir eng, und ich schüttelte den Kopf, um die Erinnerung zu vertreiben.
»Halt still«, schalt Merle. »Ich bin fast fertig. Beiß die Zähne zusammen. Das ist der letzte.« Sie hielt die Strähne weiter oben fest und kämmte den Knoten mit einem kurzen Ruck heraus, den ich fast gar nicht spürte. »Gib mir die Schnur«, befahl
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