Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
beschränkten Geisteskräften es verstanden. Sagt mir, daß ich mich irre.« Ich war zu aufgewühlt, um über den hitzigen Ton zu erschrecken, in dem ich mit meinem König sprach.
Veritas setzte sich auf die Fersen zurück und fegte mit der Hand die Splitter zusammen, die er losgeschlagen hatte. »Du irrst dich«, sagte er milde. »Würdest du den Besen holen und das hier wegkehren?«
Als ich mit dem Besen zurückkehrte und neben Veritas stand, wußte ich nicht, ob ich den Besen benutzen sollte oder auf seinem Kopf zerschlagen. Er spürte meine brodelnde Wut; trotzdem forderte er mich mit einer Handbewegung auf, um die Stelle, wo er gearbeitet hatte, sauberzufegen. Ich tat es mit einem, einzigen furiosen Wisch.
»Sieh an, sieh an«, sagte er sanft, »das ist ein exzellenter Furor, den du da hast. Tief empfunden und leidenschaftlich. Ich glaube, den werde ich mir für ihn gönnen.«
Sacht wie den Schlag eines Schmetterlingsflügels fühlte ich die Berührung seiner Gabe. Meine Wut wurde mir weggenommen, von meiner Seele geschält und aufgesogen von...
»Nein. Folge ihr nicht.« Ein sanfter Stoß mit der Gabe von Veritas, und ich fand mich in meinem Körper wieder. Ich saß auf dem Postament, während das ganze Universum sich in tollem Wirbel um mich drehte. Ich beugte mich langsam vor, zog die Knie an und lehnte den Kopf dagegen. Mir war unbeschreiblich elend. Wo einst das Feuer meines Zorns gelodert hatte, empfand ich jetzt nur noch eine aschige Leere.
»Nun siehst du«, erklärte Veritas, »ich habe dir deinen Wunsch erfüllt. Ich glaube, du verstehst jetzt besser, was es heißt, etwas in den Drachen zu geben. Möchtest du ihm noch mehr von dir überlassen?«
Wortlos schüttelte ich den Kopf. Ich hatte Angst, den Mund aufzumachen.
»Ich werde nicht sterben, wenn der Drache vollendet ist, Fitz, ich werde in ihm aufgehen. Ich werde weiterleben. Weiterleben, als der Drache.«
Ich fand meine Stimme wieder. »Und Krähe?«
»Falkin wird bei mir sein ebenso wie ihre Schwester Möwe. Aber ich bin der Drache.« Er setzte sein unseliges Steineklopfen fort.
»Wie könnt Ihr das tun?« warf ich ihm vor. »Wie könnt Ihr Kettricken das antun? Sie hat alles aufgegeben, um Euch zu suchen. Und Ihr wollt sie einfach zurücklassen, allein und kinderlos?«
Veritas hörte auf zu meißeln und sank langsam zur Seite gegen das mächtige Bein des Drachen. Nach einer Weile sagte er mit rauher Stimme: »Ich sollte dir den Auftrag geben, hier bei mir zu sitzen und mit mir zu reden, Fitz, während ich arbeite. Gerade, wenn ich denke, ich habe keine großen Gefühle mehr in mir, kommst du und beschwörst sie herauf.« Er wandte mir das Gesicht zu. Tränen hatten tiefe Furchen durch den Steinstaub auf seinen Wangen gezogen. »Was habe ich für eine Wahl?«
»Laßt den Drachen sein. Kehrt mit uns zurück in die Sechs Provinzen. Rufen wir das Volk zu den Waffen und bekämpfen wir die Roten Schiffe mit dem Schwert und mit der Gabe wie zuvor. Vielleicht...«
»Vielleicht wären wir alle tot, bevor wir auch nur Jhaampe erreichen. Wäre das ein besseres Ende für meine Königin? Nein. Ich werde sie auf meinem Rücken nach Bocksburg tragen und ihre Feinde vertreiben, und sie wird lange und gut als Königin herrschen. Das ist es, was ich ihr zu geben habe.«
»Und ein Erbe?«
Veritas zuckte müde die Schultern und nahm wieder den Meißel auf. »Du weißt, wie es bestimmt ist. Deine Tochter wird zur Thronfolgerin erzogen werden.«
»NEIN! Sagt das noch einmal, und egal wie gefährlich es auch sein mag, ich werde zu Burrich denken, daß er mit ihr fliehen soll.«
»Du kannst nicht zu Burrich denken«, erklärte Veritas geduldig. Er schien für den Zeh des Drachen Maß zu nehmen. »Chivalric hat vor Jahren sein Bewußtsein für die Gabe verschlossen, damit man sich seiner nicht als Waffe oder Werkzeug gegen ihn bedienen konnte – so wie man sich des Narren bedient hat.«
Ein weiteres kleines Rätsel gelöst, auch wenn es mir nichts nützte. »Veritas, ich beschwöre Euch: Tut mir das nicht an. Lieber will auch ich in den Drachen eingehen. Das ist mein Angebot: Nehmt mein Leben und schenkt es dem Drachen. Ich gebe Euch alles, was Ihr verlangt, aber versprecht mir, daß man meine Tochter nicht dem Thron der Weitseher opfern wird.«
»Dieses Versprechen kann ich nicht geben.«
»Wenn Ihr je irgend etwas für mich empfunden habt«, begann ich, doch er fiel mir ins Wort.
»Kannst du nicht begreifen, auch wenn man es dir hundertmal
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