Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
übersetzte mein Verstand das plötzliche wortlose Drängen in meinem Kopf.
    Ich blieb stehen, als wäre ich gegen eine Wand gelaufen und griff mir benommen an die Stirn. Diese Bitte kam nicht von Nachtauge. Der Betrunkene stützte die flache Hand auf den Boden und stemmte den Oberkörper in die Höhe. Seine Augen begegneten den meinen mit einem Ausdruck stummen Flehens und Leidens. Ich kannte solche Augen, es waren die eines gequälten Tieres.
    Sollten wir ihm vielleicht helfen? fragte Nachtauge unschlüssig.
    Still, warnte ich.
    Bitte hilf ihm. Drängender und stärker. Altes Blut spricht zu Altem Blut. Die Stimme in meinem Kopf vermittelte mir nicht Worte, sondern Bilder. Ich spürte ihre Bedeutung. Es war das Beschwören von Verpflichtungen gegenüber Clanmitgliedern.
    Sind sie Clan? fragte Nachtauge verwundert. Ich wußte, er konnte meine Verwirrung wahrnehmen, und gab keine Antwort.
    Dem Schwarzen Rolf war es unter Mühen gelungen, sich hinzuknien. Er streckte mir die Hand entgegen. Ich umfaßte seinen Unterarm und zog ihn langsam vom Boden hoch, bis er, wenn auch, schwankend, aufrecht stand. Vorsorglich griff ich nach seinem Arm und half ihm, das Gleichgewicht wiederzugewinnen. Stumm wie er, reichte ich ihm meinen Wanderstab. Er nahm ihn, doch ich mußte ihn trotzdem weiterhin stützen. Langsam verließen wir den Marktplatz, gefolgt von viel zu vielen neugierigen Blicken. Auch in den Gassen schauten die Leute uns an und dann zur Seite. Der Mann schwieg ausdauernd. Ich wartete darauf, daß er mir zu verstehen gab, wohin oder welches Haus, aber er sagte nichts. Vom Ortsrand führte der Weg in vielen Windungen zum Fluß hinunter. Sonnenlicht fiel durch eine Öffnung in den Baumwipfeln und brach sich glitzernd auf der Wasseroberfläche. Am Ufer gab es eine seichte Stelle mit grasbewachsenem Ufer und eingerahmt von Weiden. Einige Frauen mit Körben voll nasser Wäsche machten sich gerade auf den Heimweg. Durch einen leichten Zug am Arm bedeutete der Mann mir, daß er zum Ufer wollte. Dort angekommen, sank er auf die Knie, dann beugte er sich vor und tunkte den Kopf bis zu den Schultern ins Wasser. Er richtete sich auf und rieb sich mit den Händen über das Gesicht und tauchte noch einmal unter. Als er das zweite Mal hochkam, schüttelte er den Kopf wie ein nasser Hund. Wassertropfen spritzten in alle Richtungen. Er hockte sich auf die Fersen und blickte zu mir auf.
    »Ich trinke zuviel, wenn ich schon einmal in die Stadt komme«, sagte er hohl.
    Ich nickte dazu. »Kommst du von jetzt an allein zurecht?«
    Er nickte seinerseits. Ich konnte sehen, wie er mit der Zunge rings im Mund nach blutenden Stellen und losen Zähnen tastete. Die Erinnerung an vergangene Schmerzen regte sich und drohte zu erwachen. Ich wollte so schnell wie möglich weg von diesem bedrohlichen Einfluß.
    »Dann also viel Glück«, wünschte ich zum Abschied. An einer Stelle oberhalb des Mannes kniete ich mich hin, trank und füllte meinen Wasserschlauch. Erfrischt stand ich auf, warf mir das Bündel über die Schulter und wandte mich zum Gehen, doch ein Prickeln der Alten Macht veranlaßte mich, den Kopf zu drehen und zum Waldrand zu schauen. Ein Baumstumpf geriet in Bewegung, wuchs in die Höhe und entpuppte sich als brauner Bär. Er witterte prüfend, dann ließ er sich auf alle viere fallen und kam auf uns zugetrabt. »Rolf«, sagte ich ruhig, während ich langsam rückwärts ging, »Rolf, da kommt ein Bär.«
    »Das ist Hilda«, antwortete er ebenso ruhig. »Du hast nichts zu befürchten. Sie gehört zu mir.«
    Ich stand stockstill und sah der Bärin entgegen. Als sie sich Rolf näherte, gab sie einen tiefen, muhenden Laut von sich und stieß ihn mit ihrem mächtigen Schädel an. Er stand auf, dabei hielt er sich an ihrer Schulter fest. Ich konnte fühlen, daß sie zueinander dachten, aber was sie sich mitzuteilen hatten, blieb mir verborgen. Schließlich hob sie den Kopf, um mich zu mustern. Altes Blut, begrüßte sie mich. Ihre kleinen Augen saßen tief im Fell verborgen dicht über der Schnauze. Wenn sie sich bewegte, modellierten Licht und Schatten das Wogen der gewaltigen Muskeln unter dem schimmernden Pelz. Sie kamen beide auf mich zu. Ich rührte mich nicht.
    Bei mir angekommen, reckte Hilda die Schnauze vor und drückte ihre Nase an mich, um mich von oben bis unten zu beschnüffeln.
    Mein Bruder? erkundigte Nachtauge sich beunruhigt.
    Ich glaube, es besteht kein Grund zur Sorge. Ich wagte kaum zu atmen. Noch nie war ich einem

Weitere Kostenlose Bücher