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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Seite oder drückten sich gegen die Buden, um den Stadtwachen den Weg freizumachen. Aller Augen folgten ihnen wie gebannt.
    Sie gingen zielstrebig auf den Betrunkenen zu, und ich war Teil der schweigenden Menge, die zusah, wie sie ihn ergriffen. Der bedauernswerte Mann beäugte die Soldaten mit dumpfer Bangigkeit, und der flehende Blick, den er über die Umstehenden gleiten ließ, verstärkte meine Ahnung, daß etwas Schlimmes bevorstand. Einer der Soldaten winkelte den Arm an und rammte die gepanzerte Faust in den Bauch des Betrunkenen. Er war untersetzt, vierschrötig, vielleicht schon etwas über die besten Jahre hinaus. Ein weichlicher Mann wäre nach diesem Schlag in die Knie gegangen. Er krümmte sich über der Faust des Soldaten zusammen und stieß pfeifend den Atem aus, dann befreite sein Magen sich in einem Schwall von dem Übermaß an Bier. Die Wachen traten angeekelt zurück, und einer versetzte dem Betrunkenen einen Stoß, so daß er mit weichen Knien nach hinten stolperte, gegen einen der Marktstände. Zwei Körbe voller Eier kippten platschend um, der zerbrechliche Inhalt zerschellte. Der Händler sagte nichts, drückte sich nur noch tiefer in den Hintergrund seiner Bude, als wäre er am liebsten unsichtbar gewesen.
    Die Soldaten waren mit ihrem Opfer noch nicht fertig. Der vorderste packte ihn bei der Hemdbrust und zog ihn auf die Füße. Mit einem kurzen, trockenen Schlag ins Gesicht beförderte er ihn in die offenen Arme seines Kameraden, der ihn auffing und ihm erneut die Faust in den Magen grub. Dieses mal fiel der Betrunkene auf die Knie, und ein Fußtritt schleuderte ihn zu schlechter Letzt der Länge nach zu Boden.
    Ich merkte nicht, daß ich mich in Bewegung gesetzt hatte, um einzugreifen, bis ich eine Hand auf der Schulter spürte. Als ich mich umschaute, sah ich in das runzlige Gesicht einer hageren alten Frau, die mich zurückhielt. »Ihr dürft sie nicht reizen«, beschwor sie mich flüsternd. »Sie werden ihn mit einer Züchtigung davonkommen lassen, wenn niemand ihren Zorn erregt. Macht sie wütend, und sie werden ihn töten. Oder schlimmer noch, ihn wegschleppen in des Königs Rund.«
    Ich schaute ihr prüfend in die müden Augen, und sie senkte den Blick, als schämte sie sich. Ihrem Beispiel folgend, stellte auch ich mich blind und bemühte mich, meine Ohren vor dem dumpfen Geräusch der Schläge zu verschließen, dem Ächzen und den erstickten Schreien des Geschundenen.
    Der Tag war heiß, und die Soldaten trugen mehr Rüstung, als ich an Stadtwachen zu sehen gewöhnt war. Vielleicht war es das, was den Betrunkenen rettete – niemand schwitzt gern in einer solchen Hülle aus Eisen. Bei einem verstohlenen Blick sah ich, wie einer der Soldaten sich bückte und dem Mann die Börse vom Gürtel schnitt, sie in der Hand wog und dann einsteckte. Während er einen strengen Blick über die Menge schweifen ließ, verkündete der andere: »Rolf der Schwarze ist für seine Majestätsbeleidigung gezüchtigt und mit einer Geldbuße bestraft worden. Möge es euch zur Warnung dienen.«
    Die Soldaten ließen den Betrunkenen inmitten von Schmutz und Abfällen liegen und setzten ihren Rundgang fort. Der eine blickte über die Schulter zurück, während sie sich entfernten, aber niemand rührte sich, bis sie um eine Ecke gebogen waren. Dann erwachte nach und nach der Marktplatz wieder zum Leben. Die alte Frau nahm ihre Hand von meiner Schulter und begann wieder um den Preis für Rüben zu feilschen. Der Händler kam aus seiner Bude, um die wenigen heilgebliebenen Eier und die von Dotter und Eiweiß triefenden Körbe aufzusammeln. Niemand schenkte dem am Boden Liegenden Beachtung.
    Ich wartete, bis mein inneres Frieren abgeklungen war. Mir war ein Rätsel, weshalb Stadtsoldaten am Grölen eines Trunkenbolds Anstoß nehmen sollten, aber die Leute ringsum wichen meinem fragenden Blick aus. Plötzlich verspürte ich das dringende Bedürfnis, den Staub dieses Ortes von den Füßen zu schütteln. Ich rückte den Packen höher und machte mich wieder auf den Weg. Doch als ich mich dem stöhnenden Mann näherte, fühlte ich seine Schmerzen gegen mich branden, mit jedem Schritt stärker – beinahe, als würde meine Hand tiefer und tiefer in siedendes Öl getaucht. Er hob den Kopf und starrte mich an. Erde vermischte sich auf seinem Gesicht mit dem Blut und Erbrochenen zu einer grotesken Maske. Nein, ich hatte mir geschworen, mich auf nichts mehr einzulassen. Nicht hinschauen, einfach vorbeigehen.
    Hilf ihm. So

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