Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
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Ich gehorchte ihr gerne und machte mich kaum weniger gierig als Nachtauge über die Speisen her. Er war bei seiner dritten Lachshälfte angelangt, und ich nahm nach drei Scheiben Brot meine zweite Portion Fisch in Angriff, bevor ich mich wieder an meinen Gastgeber erinnerte. Rolf füllte meinen Krug nach. »Einmal habe ich versucht, eine Ziege zu halten. Für Milch und Käse und so weiter. Aber sie konnte sich nie an Hilda gewöhnen. Das arme Ding hatte immer viel zuviel Angst, um Milch zu geben. Nun ja, wir haben Met. Dank Hildas Nase für Honig ist das ein Getränk, an dem es uns niemals mangelt.«
»Es ist köstlich«, seufzte ich, setzte nach einem langen Zug den Becher ab und atmete aus. Noch war ich nicht satt, aber den ärgsten Hunger hatte ich vorläufig gestillt. Rolf der Schwarze nahm eine zweite Fischhälfte vom Tisch und warf sie der Bärin zu. Sie fing sie mit Tatzen und Maul und wandte sich wieder von uns ab, um den Happen zu verspeisen. Ein weiteres Stück Fisch beförderte er in Nachtauges Richtung, der allen Argwohn aufgegeben hatte. Er sprang danach, dann legte er sich hin, den Lachs zwischen den Vorderpfoten, und neigte den Kopf, um Stück für Stück abzusägen und zu verschlingen. Holly aß zierlich mit den Fingerspitzen, zupfte kleine Fetzen von dem geräucherten Fisch ab und verzehrte sie mit nickenden, vogelgleichen Kopfbewegungen. Jedesmal, wenn ich in ihre Richtung schaute, begegnete ich ihren scharfen schwarzen Augen. Mein Blick wanderte zu Hilda.
»Wie bist du dazu gekommen, dich mit einer Bärin zu verschwistern?« fragte ich. »Wenn du meine Neugier entschuldigst. Ich habe noch nie mit jemandem gesprochen, der mit einem Tier verschwistert war, jedenfalls mit keinem, der es öffentlich zugegeben hätte.«
Rolf der Schwarze lehnte sich zurück und faltete die Hände auf dem Bauch. »Ich gebe es nicht ›öffentlich‹ zu, vor aller Ohren. Für mich war es selbstverständlich, daß du Bescheid wußtest, wie Hilda und ich sofort wissen, wenn andere vom Alten Blut in der Nähe sind. Doch was deine Frage angeht – meine Mutter war vom Alten Blut, und zwei ihrer Kinder erbten es. Sie spürte es natürlich und erzog uns gemäß dem Brauch. Und sobald ich volljährig war, als Mensch, ging ich auf die Suche.«
Ich schaute ihn verständnislos an. Er schüttelte den Kopf. Ein mitleidiges Lächeln umspielte seinen Mund.
»Ich zog allein in die Welt hinaus, um mein Geschwistertier zu finden. Manche suchen in den Städten, manche suchen in den Bergen, einige, habe ich gehört, fahren sogar aufs Meer hinaus. Ich aber fühlte einen Ruf in die Wälder. Also machte ich mich auf, dem Ruf zu folgen, allein, mit wachen Sinnen, und ich nahm nichts zu mir außer klarem Wasser und den Kräutern, die das Alte Blut stärken. Ich kam hierher, und ich setzte mich zwischen die Wurzeln eines alten Baums und wartete. Und nach einiger Zeit kam Hilda zu mir, als Suchende, wie ich auf der Suche gewesen war. Wir prüften einander und fanden das Vertrauen und nun, hier sind wir, sieben Jahre später.« Er schaute Hilda so liebevoll an, als spräche er von Frau und Kindern.
»Eine bewußte Suche nach einem Geschwistertier«, sagte ich grübelnd.
Vielleicht bist auch du an jenem Tag auf der Suche gewesen, und ich habe nach dir gerufen, obwohl keiner von uns beiden zu der Zeit wußte, wonach er suchte, meinte Nachtauge und warf damit ein neues Licht auf seine Gefangenschaft bei dem Tierhändler und die Rettung durch mich.
Ich glaube nicht, antwortete ich ihm bedauernd. Ich hatte mich schon zweimal verschwistert, mit Hunden, und ich wußte um den Schmerz, den es mit sich bringt, einen solchen Gefährten zu verlieren. Ich hatte beschlossen, mich nie wieder darauf einzulassen.
Rolf starrte mich ungläubig an, fast mit Entsetzen. »Du warst schon zweimal verschwistert, vor dem Wolf? Und hast beide Gefährten verloren?« Er schüttelte den Kopf, als könne er es nicht glauben. »Du bist sehr jung, sogar für eine erste Verschwisterung.«
Ich zuckte die Schultern. »Ich war noch ein Kind, als Nosy und ich uns anfreundeten. Er wurde mir weggenommen, von jemandem, der über das Verschwistern Bescheid wußte und der Ansicht war, es sei nicht gut – für uns beide nicht. Später habe ich Nosy wiedergefunden, aber da stand er schon am Ende seines Lebens. Und der andere Welpe...«
Rolf betrachtete mich mit einem Widerwillen, der mindestens so groß war wie Burrichs gegen die Alte Macht, während Holly stumm den Kopf
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