Die Legende von Carter Prewitt
in diesen Sekunden die zermürbenden Sorgen und Ängste, die in dem Mann verwurzelt waren. »James! Dem Himmel sei dank!«
James Allison zügelte das Pferd. Er lachte und seine Lippen gaben ein kräftiges Gebiss frei. »Hallo, Carter, altes Haus. Wie freue ich mich, dich gesund und munter wiederzusehen.«
James Allison stieg vom Pferd. Staub rieselte von seinen Schultern. Erschöpfung kennzeichnete sein hohlwangiges Gesicht. Die beiden Falten, die sich von seinen Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln zogen, schienen sich vertieft zu haben. Allison reichte Carter Prewitt die Hand.
»Ich befürchtete schon das Schlimmste«, murmelte Carter Prewitt und schüttelte kräftig die Hand des Freundes.
»Sie haben mich gejagt, dass mir die Zunge zum Hals heraus hing«, erklärte Allison. »Aber es ist mir gelungen, die Kerle abzuschütteln. Nachdem ich mich einen Tag lang in der Felswildnis verkrochen hatte wie ein Tier, habe ich mich auf den Weg zum Salado Creek gemacht. Und nun bin ich hier.«
»Hier ist nichts mehr so, wie es einmal war«, murmelte Carter Prewitt bedrückt.
»Das hört sich nicht gut an.«
»Dein Pferd sieht ziemlich abgetrieben aus«, sagte Carter Prewitt. »Ich zeige dir den Weg zum Mietstall.«
James Allison führte sein Pferd am Kopfgeschirr. Neben ihm schritt Carter Prewitt. »Meine Eltern mussten während des Krieges Geld aufnehmen, um überleben zu können«, erzählte Carter Prewitt. Seine Stimme klang rau. »Die Ranch ist mit einer Hypothek belastet und diese ist am 30. Juni fällig. Wir haben kein Geld, um die Schulden zu bezahlen. Mein Vater wurde ermordet. Sie haben ihn einen Tag, bevor ich nach Hause gekommen bin, beerdigt.«
»Heiliger Rauch!«, entfuhr es James Allison. »Was wirst du tun?«
»Wir müssen mit Ablauf des 30. Juni die Ranch räumen. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.«
»O verdammt«, knurrte James Allison. »Auch ich habe keine Idee, wie ich euch Prewitts helfen könnte.«
»Wir werden alles verlieren. Und ich kann nichts dagegen tun«, stieß Carter Prewitt hervor. »Ich habe daran gedacht, nach Westen auszuwandern.«
James Allison musterte das Gesicht des Freundes von der Seite. »Ohne Geld schaffst du das nicht. Du brauchst solide Wagen, Zugtiere, Waffen, Proviant …« James Allison schüttelte den Kopf. »Schlag dir diese Idee aus dem Kopf, Carter.«
Sie erreichten den Mietstall. Im Stallinnern war es schon dunkel. Neben dem Tor hing eine Laterne an der Stallwand und warf gelben Lichtschein auf den Boden. Typische Stallgeräusche wehten ins Freie.
»Ich glaube, ich weiß, wie ich zu Geld kommen kann«, sagte Carter Prewitt.
»Spuck es schon aus!«, kam es von James Allison. »Ich bin gespannt, zu hören, was du dir jetzt wieder ausgedacht hast.«
»Ich treibe eine große Herde Longhorns nach Kansas City und verkaufe die Rinder dort oben. Das wird mir zu dem Startkapital verhelfen, das ich benötige, um nach Oregon oder Kalifornien auszuwandern.«
Der Stallmann kam ihnen entgegen. Er hinkte stark und besaß ein eingefallenes Gesicht, aus dem ein fiebrig glänzendes Augenpaar blickte. »Hi, Carter«, sagte er. »Du bist also wieder zu Hause. Ich wurde in Seven Pines verwundet und sie haben mich als kriegsuntauglich entlassen. Vielleicht war die Verwundung ein Gottesgeschenk. Ich weiß es nicht. Wie ist es dir ergangen?«
»Ich fiel bei Gettysburg den Yanks in die Hände. Hinter mir liegen fast drei wenig erfreuliche Jahre in einem Indianerfort im Arizona-Territorium. Hitze, Staub und aufsässige Apachen. – Wir möchten, dass du dich um das Pferd kümmerst, Jesse. Leider haben wir kein Geld, um dich für deine Arbeit zu bezahlen.«
»Warst du auch im Krieg?«, so wandte sich der Stallmann an James Allison.
»Vom ersten bis zum letzten Tag.«
»In Ordnung. Ich versorge das Tier.«
»Danke, Jesse.«
Carter Prewitt wollte sich abwenden, aber er verharrte mitten in der Bewegung, als der Stallbursche noch einmal das Wort ergriff: »Es ist eine verdammte Schweinerei, dass Cassidy die Triangle-P in den Ruin treibt.«
»Ich werde es nicht aufhalten können, Jesse.«
»Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass Brad Malone eure Ranch übernehmen wird.«
»Ich weiß.«
»Willst du denn nichts dagegen tun?«
»Malone hat das Gesetz auf seiner Seite«, murmelte Carter Prewitt. »Mir sind die Hände gebunden.«
»Vor den schmutzigen Händen dieser verdammten Yankees ist nichts sicher!«, maulte der Stallmann. »Diese Geldhaie bluten unser
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