Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
schlimmsten Fall konnte er Sider wenigstens verraten, wie er am besten ins Lager gelangen und dort nach dem Mädchen suchen konnte. Inch wusste wahrscheinlich, wie die Trolle ihre Wachen aufstellten und wo sie ihre Gefangenen verwahrten. Vielleicht gab es Symbole auf den Zelten, die über deren Verwendung Aufschluss gaben. Oder vielleicht wusste er einen Rat, wie man es anstellen musste, um an den Wachen vorbeizukommen. Falls Sider wirklich viel Glück hatte, war der Hüne vielleicht sogar bereit, ihn zu begleiten und ihm zu helfen, in das Lager einzudringen. Darum bitten würde er ihn allerdings nicht; denn das hieße, auf eine Freundschaft zu bauen, die doch noch recht vage war. Es wäre mehr als genug, wenn Deladion ihn auch nur ein bisschen dabei unterstützen konnte, an den Wachen des Lagers vorbeizukommen.
Es war zugegebenermaßen kein besonders ausgefeilter Plan. Aber er bot ihm eine bessere Chance, das Mädchen zu retten, als jede andere Möglichkeit, die Gegenwart des Jungen eingeschlossen. Er musste jedoch rasch handeln. Bis zu dem vereinbarten Treffen mit Taureq Siq blieben nur noch drei Tage. Sider bezweifelte, dass der Maturen der Trolle sich nachsichtig seiner Gefangenen gegenüber zeigen würde, wenn der Termin verstrichen war und nichts geschah.
Er schüttelte den Kopf und rief sich selbst zur Ordnung. Was denke ich da nur? Ich sollte mir hier überhaupt nicht den Kopf zerbrechen. Es gibt andere, wichtigere Dinge, die getan werden müssten. Ich muss die Dorfbewohner zusammentrommeln, an den Barrikaden der Pässe von Aphalion und der Declan-Schlucht arbeiten, dabei helfen, Truppen für die Verteidigung beider Pässe aufzustellen und die Gespräche mit den verschiedenen Völkern fortzusetzen. Mit den Echsen und den Spinnen hatte er noch gar nicht gesprochen, sondern das den Elfen überlassen. All das sind Aufgaben, die ich besser als jeder andere erledigen kann. Und doch bin ich hier und mache etwas anderes. Und das alles nur, weil ich Panterra Qu versprochen habe, ich würde das Mädchen nicht im Stich lassen. Aber wenn ich wirklich seine Freundschaft und sein Vertrauen gewinnen und ihn davon überzeugen will, dass er der nächste Träger des Stabes werden soll, muss ich zuerst beweisen, dass ich mein Wort halte, wenn ich etwas verspreche.
Er ging auch am helllichten Tag weiter, hielt sich jedoch auf freien Flächen, weil er so alles sehen konnte, was sich ihm näherte. Er hoffte, auf diese Weise einem Hinterhalt wie dem, in den er beim letzten Mal geraten war, zu entgehen. Dabei behielt er jedoch grob die Richtung bei, in der sich Deladion Inchs Unterschlupf in der Festungsruine befand. Die Landschaft um ihn herum blieb weitgehend unverändert… öde und verwüstet, wies sie keine Spuren von Leben auf; es gab weder Gräser, Bäume noch Pflanzen, und die Erde war immer noch von den Großen Kriegen vergiftet, unfruchtbar und abweisend. Einmal entdeckte er in weiter Ferne den silbrigen Schimmer von Wasser, wie ein dünner Faden, der sich durch die Landschaft schlängelte und irgendwann im westlichen Dunst verschwand. Aber er konnte nichts über die Wasserqualität sagen oder woher es stammte. Hier und da gab es auch Baumgruppen, die so frisch und grün aussahen, wie früher einmal alle Bäume gewesen waren. Aber das waren nur kleine Inseln in einem Ozean der Verwüstung, und das meiste von dem, was der Graue sah, wirkte alles andere als vielversprechend.
Einmal sah er auch nicht allzu weit entfernt etwas, das viel größer zu sein schien als er und durch eine Reihe tiefer Rinnen trottete. Es tauchte immer wieder auf und ab, wie eine Luftspiegelung; aber es bewegte sich von ihm fort, und nach einer Weile blieb es verschwunden.
Sider dachte unwillkürlich darüber nach, ob die Talbewohner wohl jemals imstande sein würden, sich an diese feindselige Umwelt anzupassen und in ihr zu überleben. Wie sollten sie sich auf das, was ihnen begegnete, einstellen können, wo sie doch die letzten fünfhundert Jahre weggesperrt in einem Land gelebt hatten, das ihnen alles großzügig geschenkt hatte und in dem ihnen so gut wie keine Gefahren drohten? Er stellte sich vor, wie sie es versuchten und dabei scheiterten. Sie würden erst neue Fertigkeiten entwickeln und aus bitteren Erfahrungen lernen müssen, bevor sie zu einem solchen Wandel imstande waren. Dazu war ein Maß an Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt vonnöten, das zurzeit noch bitter fehlte. All die kleinen Eifersüchteleien, die tiefen Gräben und
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