Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
»Sei nicht dumm, Panterra. Natürlich gibt es etwas, vor dem du Angst haben solltest.« Als sie den bestürzten Ausdruck in seinem Gesicht bemerkte, schüttelte sie den Kopf. »So naiv kannst du doch nicht sein! Du musst doch zumindest eine vage Vorstellung von dem haben, was du da eben gemacht hast? Du hast mit deinen Enthüllungen schlafende Hunde geweckt. Ist dir das denn wirklich nicht klar?«
»Meinst du Skeal Eile?«, fragte Prue.
Aislinne seufzte. »Kind, Kind. Ich meine fünfhundert Jahre Traditionen und Überzeugungen, die für allzu viele von unserem Volk das Fundament ihres Glaubens geworden sind. Du kannst etwas so tief Verwurzeltes nicht in Frage stellen, ohne heftigen Widerspruch hervorzurufen. Jetzt hört mal zu. Wie viel wisst ihr von der Geschichte der Kinder des Hawk?«
Panterra und Prue wechselten rasch einen Blick. »Nicht viel«, gab der Junge zu. »Nur, dass sie glauben, dass Hawk sie hergebracht hat und dass er sie auch wieder holen wird, wenn es Zeit für sie ist, das Tal zu verlassen.«
»Das ist längst nicht alles, aber ja, das glauben sie. Sie glauben jedoch auch, dass sie das auserwählte Volk sind. Dass nur sie gerettet wurden, als der Rest der Welt in den Großen Kriegen zugrunde ging. Sie betrachten sich als die Zukunft der Zivilisation. Sie glauben außerdem, dass ihr Weg der einzig richtige Weg ist. Die Seraphen haben ihnen das seit fünfhundert Jahren weisgemacht, und die Kinder des Hawk halten das seit fünfhundert Jahren für die Wahrheit, weil es in all dieser langen Zeit niemandem gelungen ist, ihren Glauben zu erschüttern. Vielleicht sollte ich besser sagen, dass niemand es überlebte, wenn er seinen Zweifel ausgesprochen hat.«
Prue schüttelte verwirrt den Kopf. »Was meinst du damit?«
»Ich will damit sagen, dass alle Zweifler entweder widerrufen haben, bedauerlichen Unfällen zum Opfer gefallen oder einfach verschwunden sind. Versteht doch, wenn die Kinder des Hawk überleben sollen, müssen alle Angriffe abgewehrt werden, seien sie nun real oder eingebildet. Das hat etwas mit Macht zu tun und wie sie genutzt wird. Es geht um den Einfluss, den sie einem verleiht, um die Einkünfte, die sie einem durch Pfründe und Besitztümer bringt. Es geht darum, wer die Bevölkerung und das Land kontrolliert. Oberflächlich betrachtet scheint es so, als wären das hier in Glensk Wood mein Mann und der Rat. Aber unter der Oberfläche, wenn man den Dingen auf den Grund geht, sieht es völlig anders aus. Denn in Wirklichkeit haben Skeal und seine Günstlinge alle Macht, weil der Seraph für den Hawk spricht. Und früher waren es die anderen Seraphen. So war es stets in den Menschendörfern, seit wir in dieses Tal gekommen sind.«
»Dann betrachten sie uns also als Gefahr?«, fragte Panterra ungläubig. »Nur weil wir der Gemeinde die Botschaft Sider Aments überbracht haben?«
»Sie betrachten dich jedenfalls als potenzielle Bedrohung«, stellte Aislinne klar. »Und das reicht für sie aus, um Schritte gegen dich zu unternehmen.«
»Wollen sie, dass wir widerrufen?«
»Im besten Fall… nur würde ich nicht gleich darauf hoffen, dass der beste Fall eintritt.« Sie sah ihn lange an. »Das sage ich wegen des Mannes, der die Botschaft durch euch übermitteln ließ, Panterra. Sider Ament ist ein ungewöhnlicher Mann mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Die meisten sehen ihn als Wanderer mit seltsamen Gewohnheiten und einer wilden Fantasie. Vielleicht halten sie ihn sogar für schwachsinnig. Aber sie kennen die Wahrheit über ihn nicht, so wie ich. Doch hier zeigt sich wieder einmal, dass es ihm nicht zum Vorteil gereicht, dass er sich so weit aus der Gemeinde zurückgezogen hat. Nicht, weil er die Macht der Kinder des Hawk nicht richtig einschätzt. Das ist es nicht allein. Sondern weil er nicht begreift, welche Konsequenzen es sogar schon für den Boten haben kann, der eine solche Botschaft überbringt. Er hätte das nicht von euch verlangen dürfen.«
Aislinne lehnte sich zurück. »Hätte ich nicht erfahren, was vor sich ging, und wäre ich nicht zurückgekehrt, um einzugreifen, hättet ihr die Nacht wohl unter entschieden unerfreulicheren Umständen verbracht.«
»Hat man dich absichtlich weggeschickt?«, fragte Prue. »Hat man dich überlistet, damit du zu der Zusammenkunft nicht da bist?«
»Nein, so war es nicht. Meinem Mann fehlt es zwar an Rückgrat und auch an gesundem Menschenverstand, aber für so etwas hätte er sich nicht hergegeben.« Sie lächelte freudlos. »Zu
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