Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
bewaldete Steilküste in Sicht kam, auf der sich Arborlon befand, sahen sie den ersten Elf. Als sie sich der Serpentinenstraße näherten, die auf die Steilküste hinaufführte, trat zwischen den Bäumen ein kleiner Junge hervor, der noch ein bisschen jünger aussah als Prue, und starrte sie neugierig an.
»Guten Morgen«, grüßte Prue mit einem Lächeln, das Eis geschmolzen hätte.
Der Junge verzog sein Gesicht, stellte die ohnehin schon schräggestellten Brauen schräger und machte sein schmales Gesicht noch schmaler. »Das hier ist Elfenland«, erklärte er, als wollte er sie für ihre Anwesenheit tadeln.
»Gut. Dann sind wir hier ja richtig.«
»Menschen sind hier nicht willkommen.«
»Wir sind nicht ganz und gar menschlich.«
»Für mich seht ihr aber aus wie Menschen.«
»Schau mal, du bist noch nicht sehr alt und hast noch nicht sehr viel von der Welt gesehen. Deshalb kannst du es auch noch nicht wissen.« Sie schenkte ihm für alle Fälle noch ein strahlendes Lächeln. »Wie heißt du?«
»Xac«, sagte er und sah aus, als wäre er immer noch auf jeden Trick von ihrer Seite gefasst.
»Ich bin Prue«, antwortete sie. »Kennst du die Familie Orullian?«
Der Junge nickte, inzwischen leicht verwirrt. »Was soll das heißen… ihr seid nicht ganz menschlich? Ich habe noch nie gehört, dass es das gibt.«
»Na siehst du, dann hast du wieder etwas Neues gelernt. Das erweitert deine Bildung. Könntest du uns zu dem Ort bringen, zu dem wir müssen? Dann wissen die Leute wenigstens, dass jemand ganz genau auf uns aufpasst und wir keinen Ärger machen können.«
»Ich weiß nicht«, antwortete Xac, immer noch misstrauisch. »Wenn ihr keine richtigen Menschen seid, was seid ihr dann?«
Prue dachte einen Moment nach. »Ich sag dir was. Führe uns zu den Orullians, dann können sie es dir sagen.«
Der Junge musterte sie eine ganze Weile. »In Ordnung«, erwiderte er schließlich.
So kam es, dass sie mit Xac als Führer Eldemere hinter sich ließen, über Hügel liefen, die von hohen Gräsern und verstreuten Felsformationen überzogen waren, und schließlich die Straße erreichten, die zum Steilhang hinaufführte. Jetzt sahen sie auch andere Elfen auf der Straße vor ihnen, in den Bäumen und auf den umliegenden Hügeln ihren Geschäften nachgehen. Die meisten schauten einmal hinüber und ließen es dabei bewenden, weil sie davon ausgingen, dass sie zu dem Jungen gehörten, was auch Prues Absicht gewesen war. Besucher in Gesellschaft eines der ihren zogen kaum Aufmerksamkeit auf sich. Panterra, der Prue dabei beobachtete, wie sie ihre Unterhaltung mit Xac fortsetzte, konnte nicht anders, als die Art und Weise zu bewundern, wie Prue mit Leuten umging. Sie hatte eine geradezu unheimliche Begabung dafür, sie für sich einzunehmen, ohne dass es im Mindesten gewollt wirkte und ohne ihre Absichten durchblicken zu lassen. Obwohl sie erst fünfzehn war, zeigte sie dennoch mehr Geschick darin als die meisten Erwachsenen, die er kannte. Vielleicht lag es daran, dachte er schließlich, dass sie erwachsener war als so manche eben jener Erwachsenen.
Sie folgten der Serpentinenstraße, die hinauf auf den Steilhang führte, und erklommen steile Treppen, die zwischen zerklüfteten Felsformationen und dichten Baumgruppen eingebettet waren und von hohen Mauern und Eisentoren geschützt wurden. Die Elfen nannten das System Elfitch. Es diente dem Zweck, eine Serie schützender Barrieren gegen jeden zu errichten, der ohne Erlaubnis die Höhen heraufstieg. Normalerweise war das kein Problem. Von Wachttürmen aus, welche die westlichen Zugänge überblickten, behielten Posten die Besucher im Auge, und falls irgendetwas Gefährliches auftauchen sollte, konnten bewaffnete Truppen von Elfenjägern binnen kurzem darauf reagieren. Panterra hätte nicht sagen können, wann das zum letzten Mal geschehen war, vermutlich jedoch nicht, seit er auf der Welt war. Indessen machte das Argument die Runde, dass das Elfitch immer eher zur Abschreckung denn zur Verteidigung gedacht gewesen war.
Selbst jetzt würde man sie sicherlich beobachten, wie sie die Straße heraufkamen. Aber weil Xac sie begleitete und sie nur zu zweit waren, gaben sie kaum Anlass zur Sorge.
Als sie das obere Ende des Elfitch erreicht hatten und sich zu den Carolanischen Höhen wandten, nahm die Zahl der Elfen zu, die mit ihrem Tagwerk beschäftigt waren. Menschen in Arborlon waren ein seltener Anblick. Ihr Fehlen zeigte, wie sehr die Elfen darauf beharrten, sich von den
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