Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
schloss sie die Finger um die Elfensteine, bis das blaue Licht erlosch. Dann schob sie die Steine in die Tasche. Sie bemühte sich aufzustehen, sich zu einer Stelle zu schleppen, wo der Drache sie nicht sehen konnte, falls er zurückkehrte, aber ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen. Im nächsten Moment war Tasha bei ihr, einen Schritt vor Tenerife und einem Dutzend weiterer Elfen. Stimmen prasselten auf sie ein, Grüße, Rufe wie »Königin« und »Amarantyne«. Sie sah Gesichter, die sie kannte, unter anderem das von Xac Wen, dessen jungenhafte Gesichtszüge vor Aufregung und Staunen strahlten. Die Orullians hielten die anderen jedoch zurück, riefen nach einem Heiler und übernahmen die Kontrolle. Tasha hob sie auf seine starken Arme und trug sie durch die Menge.
»Macht Platz, Elfenjäger!«, schrie er. Seine Stimme dröhnte durch die Schlucht. »Macht Platz für unsere wahre Königin!«
Sie ließ die Geräusche über sich hinwegschwappen, unfähig, darauf zu reagieren. Sie hatte keine Kraft mehr dafür. Ihr schwindelte, und ihre Gedanken verwirrten sich. Ihr Körper fühlte sich vollkommen taub an, und ihr war sehr kalt.
»Danke, Tasha«, flüsterte sie.
Der große Mann senkte den Kopf. Ein nasser Tropfen fiel auf ihr Gesicht. »Du hast uns alle gerettet, Phryne. Halte durch. Ein Heiler ist unterwegs.«
»Kannst du dir die Geschichten vorstellen, die sie darüber erzählen werden?« Tenerife beugte sich vor und küsste ihre Stirn. Sie konnte die Wärme in seinen Augen sehen. »Du warst so tapfer, Prinzessin.«
»Mir ist so kalt.«
»Tasha, rasch, wir verlieren sie …!«
Phryne schloss die Augen, als sie die schmale Stelle des Passes erreichten und aus der Sonne in die Dunkelheit traten.
In ihren Träumen flog sie erneut auf dem Rücken des Drachen, der seine gewaltigen Schwingen unter ihr ausstreckte, während sein Körper wogte, als er über die Landschaft flog, die fruchtbar und grün von neuem Getreide war, zwischen blauen Flüssen, die sich wie Seidenfäden durch die Landschaft wanden. Sie spürte den Wind auf ihrem Gesicht und die Sonne auf ihrer Haut, und die Welt war wieder frisch und sauber.
Wunderschöne Kreatur, rief sie dem Drachen zu, und er sah sie mit seinen Reptilienaugen an, und sie fühlte seine Liebe zu ihr.
Du wirst immer mir gehören , sagte sie. Und ich werde immer dir gehören.
Sie beugte sich vor, presste sich an die braunen Schuppen der Kreatur, spürte, wie sie gegen ihr Gesicht drückten, und ritt dann auf den sanften Strömungen der Luft dem friedlichen, langen Schlaf entgegen.
Haren Crayel, Hauptmann der Elfen der Heimatgarde und Kommandeur der Elfenjäger, die den Aphalionpass bewachten, stand nach der Schlacht mit Tasha und Tenerife zusammen. Sie hatten die Köpfe gesenkt, und ihre harten Blicke waren nicht auf die anderen gerichtet, sondern auf den Boden zu ihren Füßen.
»Und was wollt ihr jetzt unternehmen?«, fragte der Hauptmann ruhig.
Tenerife sah ihn an. »Du kennst die Antwort darauf bereits.«
»Haben wir deine Unterstützung?«, erkundigte sich Tasha.
»Würde das eine Rolle spielen? Hat es jemals eine Rolle gespielt? Sagt mir einfach, wie viel Zeit ihr braucht.«
»Wir könnten sofort aufbrechen. Dann wären wir bei Morgengrauen dort.«
Tasha schüttelte den Kopf. »Nein, ich will sichergehen, dass es auf die richtige Art und Weise geschieht. Ich will keine Fehler riskieren. Gib uns bis morgen Nacht.«
Tenerife schlang die Arme um seinen Körper und bohrte mit der Stiefelspitze in der Erde herum. »Das sollte Zeit genug sein.«
Der Hauptmann der Heimatgarde nickte. »Jemand könnte vor euch dort eintreffen und ihnen berichten, was hier passiert ist. Dann wird es nicht mehr so einfach werden.«
Tasha knurrte. »Einfach wird es ohnehin nicht.«
Er blickte zu der Stelle hinüber, wo Xac Wen neben dem sorgfältig in ein Tuch gehüllten Leichnam von Phryne Amarantyne kniete. Sein Bruder und Haren Crayel folgten seinem Blick und sahen sich dann an.
»Was wir brauchen«, erklärte Tasha verräterisch sanft, »ist ein gerissener kleiner Betrüger.«
KAPITEL 31
Ein müder Panterra Qu stand mit höllisch schmerzenden Füßen auf einer Anhöhe, von der aus er einen freien Blick auf die Berge im Westen und den Eingang zur Declan-Schlucht hatte. Er war fast den ganzen vorhergehenden Tag und die Nacht nach Osten gegangen, hatte nur einmal angehalten, um ein paar Stunden zu schlafen, bevor er dann aufgestanden und weitergelaufen war. Vorher war er zu dem
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