Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
zu tun«, sagte Pan irgendwann. »Deine Eltern zu täuschen fühlt sich irgendwie falsch an.« Er dachte kurz nach. »Allerdings fühlt es sich auch nicht richtig an, ihnen die Wahrheit zu sagen.«
Sie hielt mit Packen inne und sah ihn an. »Ich bin schon so lange Fährtenleserin, dass ich das Recht habe, diese Entscheidungen selbst zu treffen. Also lass uns nicht länger darüber reden.«
Sie setzten die Vorbereitungen schweigend fort. Prue war froh darüber, dass sie so beschäftigt war, weil sie nicht über das nachdenken wollte, was vor ihnen lag. Sie war immer noch unsicher, ob sie wirklich das Richtige taten. Wenn sie zu den Elfen gingen, brachte das möglicherweise neue Komplikationen mit sich, denn es bedeutete, dass sie wieder mit Phryne zu tun bekamen. Aber sie wollte die Elfenprinzessin auch nicht einfach im Stich lassen. Selbst wenn sie wusste, dass die Dinge wahrscheinlich erheblich schwieriger sein würden als erwartet, stimmte sie mit Pan überein, dass sie etwas unternehmen mussten.
Sie arbeitete ruhig in ihrer Welt aus Grau und Schatten und versuchte nicht daran zu denken, wie trostlos das alles war. Sie stellte sich die Farben vor, die sie nicht sehen konnte, versuchte sich an die Intensität der Farbtöne zu erinnern, als sie ihre Kleidung auswählte, und freute sich, wenn es ihr gelang. Klappte es nicht, war sie wütend. Sie stellte sich die Farben der Möbel und des Holzes vor, der Wände, des Bodens, der Decke und auch die des kleinen Gemäldes von einer Frau an einem Brunnen, das Pans Mutter so geliebt hatte. Er hatte das Bild an der Wand hängen lassen, selbst nachdem sie gestorben war. Sie versuchte sich an die Farben seiner Kleidung zu erinnern, an die der Vorhänge und seiner alten Tagesdecke.
Hör auf damit!, ermahnte sie sich schließlich. Lass es sein!
Sie ertappte sich dabei, dass sie weinte, und wischte heftig die Tränen weg. Das war nicht der richtige Moment und nicht der richtige Ort. Sie hatte genug geweint. Sie war größer, stärker. Pan sollte sie nicht mehr weinen sehen.
Als sie fertig waren und ihre Rucksäcke geschultert hatten, sahen sie sich noch einen Moment in der Kate um, taten so, als wollten sie überprüfen, ob sie etwas vergessen hatten. Insgeheim jedoch war ihnen sehr wohl bewusst, dass dies vielleicht das letzte Mal war, dass sie hier sein würden.
»Keine Sorge«, sagte Pan, als müsste er eine Antwort auf das geben, was sie beide dachten. »Jetzt, wo wir wieder zusammen sind, können wir alles bewältigen, was sich uns in den Weg stellt.«
Prue nickte und lächelte aufmunternd. Es waren genau die richtigen Worte und auch die richtige Haltung. »Alles«, wiederholte sie.
Wenige Augenblicke später verließen sie das Haus und gingen durch die Dunkelheit des frühen Morgens davon.
Tief zwischen den Bäumen versteckt, wo er unmöglich entdeckt werden konnte, beobachtete Bonnasaint, wie sie die Kate verließen. Sie wandten sich nicht nach Süden, wie Skeal Eile behauptet hatte; sie gingen nicht nach Hold-Fast-Crossing, wo Hadrian Esselline lebte, sondern nach Norden, Richtung Arborlon. Bonnasaint lächelte. Deshalb sollte man niemals jemand anderem vertrauen, nicht einmal jemandem, auf den man sich normalerweise verlassen konnte, sondern nur sich selbst. Hätte er auf den Seraph gehört, wäre er bereits viele Meilen entfernt und hätte seinen Auftrag unmöglich erfolgreich ausführen können. Er hätte seine Zeit damit verschwendet, auf jemanden zu warten, der niemals auftauchen würde.
Und ebenso hatte der Seraph mit seiner Behauptung Unrecht gehabt, dass der Junge und das Mädchen getrennt wären. Unwillkürlich drängte sich ihm die Frage auf, womit der Seraph denn überhaupt Recht gehabt hatte, aber er beschäftigte sich nicht weiter damit. Womit er Recht gehabt hatte oder nicht, hätte keinen Einfluss darauf, wie erfolgreich Bonnasaint die Aufgabe erledigte, die man ihm aufgetragen hatte.
Das tat es nie.
Er blieb, wo er war, und sah dem Jungen und dem Mädchen nach, bis die beiden verschwunden waren. Erst dann verließ er seine Deckung. Er würde nicht versuchen, sie zu beschatten, obwohl das möglicherweise der einfachste Weg gewesen wäre. Aber er wusste von ihrem Ruf als Fährtenleser. Er respektierte ihre Fähigkeiten und wollte nicht riskieren, dass sie ihn dabei erwischten, wie er ihnen folgte. Genauso gut und weit sicherer konnte er einfach darauf warten, dass sie zu ihm kamen. Er wusste, dass sie nach Arborlon gehen würden, um ihre
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