Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
Außerdem müssen wir nach Arborlon. Dort ist Phryne. Was mit dem hier passiert, ist nicht von Bedeutung.«
»Du hast sie gehört«, sagte Pan zu dem Gefangenen. »Also behalte ruhig für dich, was du weißt.«
Er wandte sich ab, und Prue begleitete ihn.
Diesmal rief ihr Gefangener sie nicht zurück.
Pan schlief lange am nächsten Morgen und wurde erst wach, als die Sonne bereits über den Berggipfeln aufgegangen und der Tag lange angebrochen war. Es konnte an seiner Erschöpfung von der Flucht des Vortages herrühren und dem darauffolgenden Kampf oder aber an der Stille über den Meren oder sogar an der Art und Weise, wie das Sonnenlicht von Schatten und der Dämmerung absorbiert wurde, wenn es versuchte, durch das dichte Blätterdach der Bäume zu dringen. All das konnte dazu geführt haben, dass er länger schlief als normal. Doch das Ergebnis war dasselbe … er war der Letzte, der aufgewacht war, und er war nicht sonderlich traurig darüber.
Er hatte Wache gehalten, während Prue bis tief in die Nacht geschlafen hatte, bevor er sie weckte, damit sie seinen Platz einnahm. Sie saß noch da, wo er sie verlassen hatte, den Gefangenen im Blick. Der Gefesselte starrte zurück.
»Du bist blind«, sagte er zu Prue. »Das habe ich letzte Nacht nicht bemerkt. Aber wie kannst du blind sein? Du hast mit mir gekämpft, als könntest du mich perfekt sehen. Es hätte dir eigentlich nicht gelingen dürfen, mir zu entgehen, aber du hast es geschafft. Wie?«
Das Mädchen ignorierte ihn. »Guten Morgen, Pan. In ein paar Minuten gibt es Frühstück.«
Sie zog Brot, Trockenfrüchte und etwas Käse aus ihrem Rucksack und schenkte ihnen dann Wasser aus dem Schlauch in die Becher. Pan blinzelte, während er sie beobachtete, dann gähnte er. »Du hättest mich wecken sollen.«
»Von wegen.«
»Du kannst sehen, habe ich Recht?«, rief ihr Gefangener, den das Thema nicht ruhen ließ. »Du siehst zwar so aus, als könntest du nicht sehen, aber du kannst es. Wer bist du? Du bist jedenfalls nicht, was du zu sein scheinst, so viel weiß ich.«
»Du auch nicht!«, gab Prue zurück. »Hier, bitte«, sagte sie dann zu Pan und reichte ihm Essen und Trinken.
Sie saßen nebeneinander, während sie aßen, und blickten auf den See hinaus. Sie ignorierten ihren Gefangenen, der ständig über ihr Augenlicht redete und sich beschwerte, wo denn sein Essen blieb. Heute Morgen schien er etwas gereizter zu sein, seine Gefangenschaft weniger geduldig zu ertragen. Sein unterschwelliges Unbehagen passte zu dem Ausdruck, der in der Nacht zuvor in seinen Augen aufgeblitzt war, als sie davon sprachen, ihn nach Arborlon zu bringen.
Nachdem sie schließlich ihr Frühstück beendet hatten, brachte Prue ihrem Gefangenen etwas zu essen und zu trinken. Sie fütterte ihn eigenhändig und weigerte sich, seinen Bitten nachzugeben und ihn loszubinden, damit er allein essen konnte. Schließlich aß er und leerte auch den Becher mit Wasser in einem Zug mit langen Schlucken. Dabei betrachtete er ihr Gesicht auf eine Art und Weise, die sie ein wenig verunsicherte, aber sie achtete darauf, sich ihre Emotionen nicht anmerken zu lassen. Bei jemandem wie ihm durfte man nie verraten, was man dachte oder fühlte.
Während sich Prue um den Gefangenen kümmerte, packte Pan ihre Vorräte ein und band ihre Decken zusammen, damit sie sofort aufbrechen konnten. Obwohl er länger geschlafen hatte als gedacht, hatten sie immer noch genug Zeit, um ihr Ziel vor Einbruch der Nacht zu erreichen. Er überlegte bereits, was sie tun würden, sobald sie Arborlon erreichten und sich ihres Gefangenen entledigt hatten. Zuerst mussten sie Tasha und Tenerife finden. Dann konnten sie gemeinsam überlegen, was sie wegen Phryne unternehmen wollten.
Sie wollten gerade aufbrechen, als ihr Gefangener, der immer noch an den Baum gebunden war, sie zu sich rief. »Ich habe meine Meinung geändert«, erklärte er. »Ich werde euch sagen, was ihr wissen wollt. Wenn ich euch dadurch davon abhalten kann, mich nach Arborlon zu bringen, warum nicht? Ich muss wohl etwas unternehmen, um euch vor euch selbst zu retten.«
Pan kniete neben seinem Rucksack und warf ihm einen flüchtigen Blick zu. »Wirklich sehr freundlich von dir.«
»Es ist freundlicher, als du ahnst.« Der Mann seufzte und schüttelte den Kopf, als hätte er es mit kleinen Kindern zu tun. »Also gut, hör zu. Ihr hattet Recht, was mich angeht. Ich besitze besondere Fähigkeiten, Talente, mit denen ich anderen gelegentlich von Nutzen bin.
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