Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
Planwagen bleibt. Die Meinung der Amazonen und des Prinzen sind ihr in dieser Hinsicht völlig gleichgültig. Nein, ich vermute viel mehr, dass mir Kathinka in jener Nacht unter den uralten Eichen ihr Abschiedsgeschenk überreicht hat. Ihre Küsse sind ein Dankeschön und ein Adieu gewesen. Kathinka glaubt nicht, wahrscheinlich hat sie es auch nie geglaubt, dass wir unseren Auftrag überleben werden. In jener Nacht hat sie nur verzweifelt versucht, all jenes noch ein letztes Mal zu spüren, das ihr seit so langer Zeit schon verwehrt ist. Sie hat mit jemandem beisammen sein wollen, der ihrem Herzen nahe steht und ihre Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit zumindest ein klein wenig erfüllen mag. Und sie hat in jener Nacht die Narben in ihrer Seele und all das, was sie in den ostalischen Kerkern verloren hat, für einen kurzen, kostbaren Moment vergessen wollen. Ich bin mir fast sicher, dass mich Kathinka nun nicht mehr küssen wird. Zu schwer lastet der Auftrag auf uns. Und vielleicht hat sie ja auch recht. Ich verspüre selbst, dass die langen, zärtlichen Küsse mich verändert haben. Selbstverständlich ist mir Kathinka auch schon vor jener Nacht sehr wichtig gewesen, wichtiger als jedes andere Wesen auf dieser Welt. Doch seit wir uns geküsst haben, empfinde ich sie als Teil von mir. Der Gedanke daran, dass sie in Yestshire oder später auf der Flucht höchstwahrscheinlich sterben wird, zerreißt mir das Herz. Ich wünsche, ich könnte sie bei der Hand ergreifen und mich heimlich in der Dunkelheit der Nacht mit ihr davonstehlen. Aber das geht nicht. Mein Schwur bindet mich. Und selbst wenn ich meinen Schwur nicht erfüllen würde, dann ist da immer noch Kathinka, die niemals von unserem Vorhaben, Angrias zu töten, ablassen würde.
So ist es also bestellt, als ich im dichten Regen hinter dem Planwagen einhertrabe und meine dunklen Gedanken wälze. Mein Gott spricht, seit Kathinka und ich uns geküsst haben, auch kein Wort mehr mit mir. Nur sehr gelegentlich höre ich sein erbostes Schnauben in meinem Hinterkopf. Ich weiß, was er meint. Wenn ich mich weiterhin wie ein unglücklich verliebter Narr aufführe, dann werde ich nicht in der Lage sein, hart, kühl und überlegt zu kämpfen. Das bedeutet, dass ich Kathinka, wenn es zur entscheidenden Konfrontation kommt, nicht mit all meinen kriegerischen Fähigkeiten beistehen kann. Sie braucht aber jeden Schutz, den sie bekommne kann. Ich will nicht mit leidendem Herzen meine Schlachten schlagen. Ich will als starker Krieger Kathinka beschützen, um ihr so zumindest die kleine Chance zu ermöglichen, dass sie fliehen und überleben kann.
Thurantuh, flehe ich daher zu meinem Gott, kläre meinen Geist. Lass mich wieder ein wahrer Krieger sein. Bitte, hilf mir!
Hör auf, wie ein Waschweib zu flennen , knurrt Thurantuh gereizt.
In der Nacht hat es endlich zu regnen aufgehört. Es ist noch sehr früh, als wir uns aus unseren Decken schälen. Die Sonne kommt nur sehr zögerlich hinter den Wolken hervor und zeigt ihre ersten morgendlichen Strahlen. Tropfen glitzern an den Blättern der Bäume und den Halmen des hohen Grases.
Ich strecke mich ordentlich, während ich schon Romaldos Befehle höre. Er scheucht seine Haremsdamen wie eine Schar Hühner dahin und dorthin. Die Amazonen und Kathinka folgen ohne groß zu murren. Ich bin immer noch ein wenig überrascht, wie gut im Großen und Ganzen unsere Maskerade funktioniert. Anfangs habe ich ja gedacht, dass sich Sincha und Romaldo permanent in den Haaren liegen werden, aber das ist erstaunlicherweise nicht der Fall. Romaldo zeigt zwar sein höhnisch - hämisches Grinsen Tag und Nacht und ich habe schon den Verdacht, dass es mittlerweile in seinem Gesicht festgewachsen ist, aber mit seinen Worten und Gesten ist er für seine Verhältnisse und angesichts der bizarren Situation beinahe zurückhaltend. Anscheinend genügt es ihm zu wissen, dass er der Munchano, der Herrscher über seine Haremsdamen ist, und sieht keine Notwendigkeit, in der angespannte Lage noch zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen. Dies wiederum ermöglicht es Kathinka und den Amazonen einigermaßen gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Wir haben etwas abseits von der Handelsstraße die Nacht verbracht. Hinter uns ist ein kleines Wäldchen mit zahlreichen Sträuchern, an deren Blättern sich unsere Pferde gerade gütlich tun. Eine gefasste Quelle, an der die Reisenden ihre Wasserschläuche auffüllen können, ist ebenfalls ganz in der Nähe.
Soeben
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