Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
Knechte und Tagelöhner. Alle sind geschäftig unterwegs. Vielerorts sieht man wachsame ostalische Soldaten. Edelleute reiten mit ihren Gefolgen an uns vorbei. Einmal nur sehe ich zwei Riesen, deren mächtige Körper hinter uns aus der Menge ragen. Kobolde, Gnome und Zwerge sind häufiger anzutreffen. Gegen Abend meine ich in der Ferne den bunten Planwagen eines Zirkus auszumachen. Ich muss unwillkürlich an jene dunkle Zeit denken, als ich selbst zusammen mit meiner Mutter in einem Zirkus Richtung Thuma gereist bin. Damals haben meine Mutter und ich fast ein halbes Jahr lang in der Manege als wilde Tiere auftreten müssen, um so unsere Mitfahrt bezahlen zu können. Für einen Moment blinzle ich gegen die helle Sonne. Ich habe lange nicht mehr an meine Mutter gedacht, aber ich habe sie nicht vergessen. Und ich habe auch all das Leid nicht vergessen, dass ihr von Menschen angetan wurde.
Nach einiger Zeit habe ich mich an den steten Trott der Handelsstraße gewöhnt. Es geht nur im Schritttempo vorwärts, aber wir sind deutlich schneller unterwegs als in den letzten Tagen. Romaldo thront auf dem Kutschbock und mir scheint es so, als ob sein selbstgefälliges Grinsen nie mehr aus seinem Gesicht verschwinden wird.
Ich gehe die meiste Zeit über links hinter dem Planwagen, so habe ich die Amazonen und Kathinka stets gut im Blick. Die Frauen sitzen auf den Teppichen und sagen kein Wort. Ich kann ihre Gesichter zwar nicht erkennen, aber allein ihre Augen sagen schon mehr als genug. Die Situation behagt ihnen überhaupt nicht.
Als es dunkel wird, lenkt Romaldo den Planwagen von der Handelsstraße und hält unter zwei alten Eichen an. Er klettert vom Kutschbock und befiehlt seinen Haremsdamen mit lauter Stimme, dass sie das Lager bereiten und das Abendessen kochen sollen. Knut und mich schickt er los, um Feuerholz zu holen. Murrend folgen wir seinen Befehlen.
Links von uns lagert ein kleiner Trupp Kobolde. Sie haben zwei voll bepackte Esel bei sich. Dem Geruch nach zu schließen, handeln die Kobolde mit Schimmelkäse. Rechts von unserem Lagerplatz hat sich eine ostalische Handwerkerfamilie zur Rast niedergelassen. Ihre Kinder tollen lärmend herum. Noch ein Stück weiter rechts ist ein fahrender Händler mit seinen beiden Knechten. Dem Dialekt nach zu schließen kommen sie aus Barius.
Bei all den Leuten, denke ich, ist er wirklich am vernünftigsten, wenn wir uns so verhalten, wie es Erik Anfohrrnus uns aufgetragen hat. Es könnte leicht zu einigen Unannehmlichkeiten führen, wenn wir nicht überzeugend einen harbaischen Teppichhändler samt Dienerschaft und Harem spielen.
Als ich mit zwei Armen voll Feuerholz in unser Lager zurückkomme, sehe ich, wie eine Zauberin auf der Handelsstraße Richtung Süden reiten. Sie wirkt edel und erhaben und ich frage mich, ob es sich bei der Frau vielleicht um Erina Jastantino handelt.
Es ist eine sternenklare Nacht. Romaldo schläft mit den Amazonen und Kathinka im Inneren des Wagens. Mir ist es gar nicht recht, dass der eitle Prinz so nahe bei Kathinka liegt, aber ich kann nur schwer etwas dagegen sagen. Schließlich müssen wir unsere Tarnung aufrecht erhalten und es würde zufälligen Beobachtern wohl sehr seltsam anmuten, wenn eine Haremsdame statt bei ihrem Munchano bei mir, dem niederen Diener, im Freien liegen würde. Also halte ich meinen Mund. Ich habe mein Nachtlager neben Knut hinter dem Planwagen aufgeschlagen. Der kleine Harbaner schnarcht laut und deutlich vernehmlich. Ich weiß nicht, ob es an Knuts Schnarchen liegt, oder daran, dass Kathinka im Planwagen liegt, aber ich kann nicht einschlafen. Nach einer Weile wickle ich mich aus meiner Decke und stehe auf. Da ich nicht genau weiß, wohin ich jetzt mitten in der Nacht gehen soll und ich mich von den anderen auch nicht all zu weit entfernen will, mache ich lediglich ein paar Schritte zur Seite und lehne mich mit dem Rücken an eine der beiden uralten Eichen, die uns für heute Nacht mit ihrem dichten Laubdach Schutz und Unterstand bieten.
Plötzlich höre ich ein Rascheln aus dem Planwagen. Neugierig spitze ich meine Ohren. Schon nach wenigen Augenblicken kann ich die Geräusche zuordnen. Kathinka klettert aus dem Planwagen und ist auf dem Weg zu mir. Nach wenigen Schritten hat sie mich erreicht.
»Du solltest in der Nacht nicht im Freien herumlaufen«, sage ich.
»Ich habe Sehnsucht nach meinem Paladin.« Sie tritt ganz dicht vor mich hin und ich kann ihren wohlschmeckenden Atem riechen. Mit einem Lächeln
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