Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
Immer wieder kommt Anninka an meinen Tisch und wechselt ein paar Worte mit mir. Sie gefällt mir, da sie sich nett und freundlich gibt. Und sie hat überhaupt keine Angst vor mir. Sie scherzt sogar mit mir und lächelt mir zu. Es wird spät. Irgendwann bin ich der letzte Gast. Die Wirtin bedeutet mir zu gehen. Sie will zusperren.
Annika gesellt sich zu mir. »Komm, Skriek, gehen wir zu mir. Ich wohne ganz in der Nähe.«
Ich spüre, wie sich meine Kehle verengt; und ich bin mit einem Schlag verunsichert. »Was hast du vor?«, stammle ich.
Sie lacht. »Ich will die Nacht mit dir verbringen, Skriek.«
»Einfach so.«
Sie runzelt die Stirn. Ist sie jetzt ungehalten? Habe ich etwas Falsches gesagt? »Hör zu, Skriek. Du bist ungewöhnlich, fremd. Faszinierend. Ich möchte deine Schuppen berühren.« Sie betrachtet mich einen Moment. »Ich bin eine Amazone. Ich nehme mir, was ich will. Hast du damit ein Problem?«
»Nein. Überhaupt kein Problem.« Ich gehe völlig verdutzt neben ihr her. Unfähig, noch ein weiteres Wort zu sagen. Nach wenigen Schritten erreichen wir ein kleines Haus. Anninka wohnt im zweiten Stock. Wir steigen eine knarrende, schmale Stiege nach oben und betreten ihr Zimmer. Es ist klein und dunkel. Ein Duft nach getrockneten Orangenschalen liegt in der Luft. Ich werde noch nervöser. Irgendetwas kommt mir hier falsch vor. Ich kenne Anninka doch kaum. Eigentlich gar nicht. Ich weiß nur, das sie hübsch ist. Lebendig. Ich denke an meine alte Sippe und daran, dass jeder Skriek sich einen Lebenspartner sucht, dem er auf ewig in Liebe verbunden ist. Zwischen Anninka und mir ist keine Liebe. Nur Lust. So lange habe ich mir gewünscht, bei einer Menschenfrau zu liegen. Doch jetzt, wo sich mir die Möglichkeit bietet, zögere ich. Ich bin unsicher und habe das Gefühl, etwas falsch zu machen. Ich befürchte, meine Seele zu verletzen und bin voller Zweifel.
Da entzündet Anninka eine Öllampe. Heller Schein flackert durch das Zimmer und ich sehe das breite Bett. Meine Zweifel nehmen zu. Was tue ich hier? Es ist falsch. Ich spüre es immer deutlicher.
Mit einem schelmischen Blick lässt Anninka ihr Kleid zu Boden gleiten. Langsam zieht sie die restlichen Wäschestücke aus und präsentiert mir ihre weiblichen Rundungen. Schließlich steht sie nackt im Schein der Lampe, die dunkle Schatten auf den schönen Körper der Amazone malt. Anninka lächelt. Verführerisch. Weiblich. Voller Sinnesfreude. »Skriek, tu mir mit deinen Krallen nicht weh«, flüstert sie.
»Ich werde ganz vorsichtig sein«, krächze ich. Mein Mund ist wie ausgetrocknet. Ich nestle ungeschickt an meinem Kapuzenmantel herum. Meine Zweifel sind weg, mit einem Schlag völlig verschwunden. Spurlos.
14
Anninka liegt in meinen Armen. Ich vermute, dass es schon weit nach Mitternacht ist. Der Mond scheint als helle Sichel durch die beiden Fenster der kleinen Wohnung. Ich fühle mich wohl. Zumindest einigermaßen. So lange habe ich davon geträumt bei einer Menschenfrau zu liegen und nun ist es endlich Realität geworden. Ich habe es genossen. Und ich mag Anninka. Ihre weiche Menschenhaut, ihr Haar, ihre Augen, ihr Lachen. Und vor allem ihr Interesse an mir. Dennoch fehlt mir etwas. Ich schicke ein kurzes Gebet zu Thurantuh. Dann hadere ich mit mir selbst. Innerlich. In Gedanken. Noch immer steckt zuviel von einem Skriek in mir. Das ist leider nicht zu leugnen. Dumm wie ich bin, sehne ich mich tatsächlich nach einer Lebenspartnerin, nach einem weiblichen Wesen, dass nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Seele berührt. Und Anninka ist dies nicht. Ich schätze ihre unkomplizierte Art, ihr amazonisches Selbstvertrauen, ihren Humor. Sie könnte mir eine gute Freundin sein. Jemand, der immer wieder meine Einsamkeit beenden würde, zumindest für einige kurze Momente. Aber ich spüre keine Liebe. Doch genau das wünsche ich mir. Vielleicht verlange ich aber auch zu viel. Ich bin ein Bastard, ein Krieger Thurantuhs. Die Götter haben für meinen Weg wohl kaum eine Seelenpartnerin und tiefe, innige Liebe vorgesehen. Kampf, Schmerz, Blut und Einsamkeit sind mein Schicksal. Mit einem Mal bin ich traurig. Ich atme langsam aus und versuche, mir nichts anmerken zu lassen.
Anninka fährt mit der Kuppe ihres rechten Zeigefingers den Rand einer Unterarmschuppe nach. »Du bist ein Tier«, sagt sie.
Ich lache. Kurz und hell. Die Traurigkeit wird erträglicher. Es tut mir nicht weh, wenn mich Anninka als Tier bezeichnet. Bei ihr ist es eine
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