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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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er, es sei nur ein Weg zum Gipfel eingezeichnet gewesen.« Modôia sah zum schlafenden Hirten hinüber. »Hat sich ergeben, was Norîgon von dir wollte, bevor er von den Elben ermordet wurde?«
    »Du hast ihn im Verdacht, etwas zu verheimlichen.«
    »Kann es nicht sein, dass Norîgon ihn deswegen zu sich rief?« Modôia schmiegte sich an ihn. »Wir sollten ihn sehr genau beobachten. Ich traute ihm vorher schon nicht. Soll ich ihn nicht doch einmal durchpeitschen?«
    »Nein. Er entdeckte seinen Hass auf die Elben, und das möchte ich nicht schmälern.« Artâgon streichelte ihren Nacken und fühlte, wie sich ihre Muskeln entspannten und sie sich ermattet gegen ihn lehnte.
    Im strömenden Regen gingen sie vor Anbruch der Dämmerung los, mit dem Barbarenjungen voran. Es folgten Modôia und Artâgon, in Zweierreihen dahinter Saphôra, Deinôa, Ôdaras, Phasâlor und Anthôras.
    Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Schnee oder eisiger Regen. Artâgon war vollkommen durchnässt, das Wasser sickerte in jede noch so kleine Ritze, fand Wege durch die schlechten Pelzmäntel der Barbaren, durch die feinen Schlitze in den Rüstungen und durch die Untergewänder.
    Damit erhöhte sich das Gewicht und auch die Anstrengung. Nach jeweils fünfzig Schritten ließ er deswegen anhalten und alle Luft holen.
    Kopfweh peinigte Artâgon, in seinen Schläfen pochte und drückte es. Wie viele Meilen sie sich über dem Tal befanden, vermochte er nur zu schätzen, doch es waren gewiss mehr als fünf. Bis zum Gipfel der Zackenkrone werden es nochmals ein bis zwei sein. Gelingt das Atmen dort überhaupt noch?
    »Hier beginnt der Gletscher«, rief der Barbar. »Nehmt die Speerspitzen nach unten. Es kann sein, dass es rutschige Stellen gibt.«
    »Warte.« Artâgon sah auf seine Truppe. Lasse ich einen Großteil der Ausrüstung zurück? Ohne das schwere Gepäck konnten sie sicherer über den Gletscher gelangen, doch wenn die Temperaturen weiter sanken, würden sie erfrieren.
    »Herr, wir müssen uns beeilen! Der Regen macht den Gletscher noch seifiger«, drängte der Hirte. »Und zögern wir noch länger, entkommen uns die Elben.«
    Artâgon gefiel der Unterton nicht. Er will uns unter allen Umständen über die Fläche führen. Ist er so verblendet in seinem neuen Hass oder … Er blickte sich um und hob einen faustgroßen Stein auf, den er mit viel Kraft schleuderte.
    Der Brocken flog und schlug hörbar auf, schlitterte vorwärts und lag still.
    »Herr, traut Ihr mir nicht?«, sagte der Junge bestürzt. »Dachtet Ihr, ich führe Euch in eine Falle?«
    »Ich traue dem Eis nicht«, erwiderte er.
    Eine ganze Serie von Blitzen fuhr in ihrer Nähe in die Erde und beleuchtete die Senke, in der sie sich befanden.
    Vor ihnen erstreckte sich eine meilengroße, zerklüftete Ebene mit Spalten und Einschnitten, das Eis war dreckig und hässlich anzuschauen, als sei es mit Grau getüncht worden. Wasser sammelte sich in Pfützen, Rinnsale schlängelten sich darauf und verschwanden in den Sprüngen.
    Artâgon sah den Stein, den er geworfen hatte.
    Um den Brocken herum bildeten sich Risse, und dann sackte er zusammen mit einer Fläche von fünf Schritt Durchmesser nach unten, während der Donner als lautes, ab- und anschwellendes Grollen über sie rollte.
    Das schaffen wir niemals. »Es ist entschieden.« Er packte den Jungen im Nacken und zerrte ihn herum. »Wir nehmen den anderen Weg.«
    »Aber, Herr! Ich weiß, wohin wir …«
    »Den anderen Weg, Barbar!«, zischte er. »Die Elben sind gewiss nicht hier entlang. Nicht mit zwei Schwangeren. Es ist für uns kaum zu schaffen, und die Spitzohren sind uns unterlegen.« Artâgon stieß ihn vorwärts. »Versuche kein zweites Mal, uns ein tödliches Schneefeld als sicher anzupreisen. Sonst bist du der Erste, der dort begraben wird.«
    Die Gruppe kehrte um, während die Sonne in den Himmel stieg; doch mehr als ein helles Grau brachte sie nicht zustande.
    Der Regen ließ nach. Sie marschierten durch Nebelbänke, und es wurde so eisig, dass sich eine dicke glasige Schicht auf den Pelzen, Rüstungen und Helmen sammelte, die gelegentlich mit leisem Klirren barst. Schließlich schneite es wieder.
    »Wir holten die Elben nicht ein«, sagte Modôia neben Artâgon während einer Atempause. »Wie kann das sein?«
    »Möglicherweise nahmen sie doch den anderen Weg.« Er sah zum Hirten, der immer noch stark schwitzte und im Stehen zu schlafen schien. Hoffentlich hält er durch.
    Die Albin stemmte die Hände in die Hüften.

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