Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
erkundigte er sich allerfreundlichst. »Was glaubt ihr, was ich bin?«, richtete er das Wort an alle.
»Kein Elb«, gab die Frau zurück, die den stürmischen Barbaren abgehalten hatte, nochmals auf Carmondai einzudringen. »Sie kamen niemals bis zu uns.«
»Du bist das, was man Alb nennt«, ergänzte der Braungebrannte. »Wir wollen keine Händel mit dir. Verschwinde! Lass uns das Strandgut prüfen und ziehe deiner Wege.«
Nun war Carmondai neugierig geworden. »Aber wir sind doch Gegner. Solltet ihr nicht wenigstens versuchen, mich gefangen zu nehmen oder gar umzubringen?«, hakte er erheitert nach.
»Du bist ein Krieger, wir dagegen sind einfache Leute, die du wohl ganz alleine besiegen könntest, sollten wir dich angreifen«, erwiderte der Sprecher der Gruppe und reckte heldenmütig sein bebendes Schwert. »Doch verteidigen werden wir uns, so gut es uns möglich ist.«
»Weswegen lasst ihr die Albin in Ruhe, die du mir beschrieben hast?«
»Sie …« Der Barbar zögerte einen Moment. »Sie hat einen mächtigen Fürsprecher.«
Carmondai ließ einen Hauch von Furcht gegen die Plünderer schweben, umwob sie damit und schnürte ihnen die Kehlen zusammen. Die Augen weiteten sich, eine Barbarin keuchte und wandte den Blick von ihm ab. »Ihr werdet niemanden von mir berichten«, schärfte er ihnen ein. »Solltet ihr meinen Freund vor mir finden, werdet ihr euch gut um ihn kümmern, bis es ihm besser geht oder ich bei euch eintreffe. Alles andere«, noch ein kleiner Hauch von Angst zwängte sich in ihre Herzen, »macht mich zu eurem Tod!«
Sie nickten und wichen vor ihm langsam zurück, der sitzende Barbar kroch wimmernd rückwärts.
Carmondai wandte sich um und lief den Strand entlang, rief dabei immer wieder Nimòras’ Namen. Gelegentlich blieb er stehen, wenn er glaubte, zwischen den Wrackteilen einen Hinweis auf den jungen Krieger entdeckt zu haben, doch es erwies sich stets als Irrtum.
Dann erkannte er eine Schleifspur, die weg vom Ufer zu einer Reihe von Dünen führte. Ein Körper war von einem Unbekannten aus dem Strandgut gezerrt worden.
Auf den Hügeln endete die breite Bahn, aber Carmondai sah die Abdrücke des Stiefelpaares deutlich, die sich tief in den Untergrund drückten. Dazu fand er einen herausgerissenen Fetzen Stoff, der zu Nimòras’ Beinkleid gehörte, sodass es keinen Zweifel gab.
Er ist gefunden und weggetragen worden. Carmondai sah zu den Plünderern, die ihre Arbeit aufgenommen hatten. Sie waren es nicht, sonst wären sie lange vor mir geflüchtet. Er fand ihre Einstellung bemerkenswert, die ihnen das Leben rettete und gleichzeitig ihm erlaubte, seinen Weg durch Weyurn unbehelligt fortzusetzen.
Er folgte den Abdrücken, die wiederum zu Hufspuren führten. Es ging nach Süden.
Nun wurde es anstrengend. Wer auch immer Nimòras mitgenommen hatte, es musste einen Grund haben. Und genau den werde ich herausfinden. Carmondai ging los und warf dabei das störende Übergewand ab, dann verfiel er in Laufschritt und folgte den Spuren.
Als sich die Sonne erhob, legte Carmondai eine erste Rast unter einem hochgewachsenen Busch ein, der ihm inmitten des Moores Schutz vor Blicken gewährte.
Nun waren seine Augen schwarz wie Tinte, man sah sofort, dass er kein Elb war. Es hatte sich bis in den letzten Winkel von Tark Draan herumgesprochen, wie man die beiden Völker unterschied.
Leider war er weder an einer Siedlung noch an einem Gehöft vorbeigekommen, wo er sich hätte ein Pferd nehmen können. Die wenigsten Weyurner lebten auf dem Festland. Seine bisherige Strecke führte ihn durch Dickicht, eine lichte Schonung und über offenes Feld, auf dem nichts wuchs außer Binsen.
Seit kurzer Zeit lief er durch ein tückisches Moor; der Boden unter seinen Sohlen federte leicht, mal schmatzte es oder es erklang ein Blubbern, und das lange Gras erbebte, das den Anschein einer harmlosen Wiese erweckte. Doch ohne Zweifel würde ihn der Untergrund halten und verschlingen, wenn er nicht achtgab. Ohne die Hufspuren, die ihm den sicheren Pfad wiesen, wäre er rettungslos verloren.
Mücken summten um ihn herum, sie ließen sich in Schwärmen auf seiner Haut nieder. Für einen erschlagenen Blutsauger kamen zehn neue, die den Alb stachen und seinen Lebenssaft aussaugten. Er schien eine schier unwiderstehliche Anziehungskraft auszuüben.
Gibt es denn gar kein Mittel gegen euch? Nach kurzer Zeit gab er das Rasten auf und erhob sich, um den Weg fortzusetzen und den kleinen fliegenden Scheusalen zu
Weitere Kostenlose Bücher